In den ersten Semestern des Magisterstudiums diskutierten meine Freundinnen und ich, ob man sich einen Computer zulegen sollte. K. war aus ästhetischen Gründen dagegen – sie war auch gegen Rucksäcke und schleppte auf Reisen schwere alte Lederkoffer durch die Gegend. K. hatte dann bald eine elektrische Schreibmaschine mit Speicher, die ein paar Manuskriptseiten vorhalten konnte. S., die zwei Dekaden später mal leicht bestürzt, doch letztlich beiläufig erzählte, dass ihre vierjährige Tochter grade das mütterliche Tablet-Passwort geknackt hatte, war unentschieden. Ich selbst kam über drei Ecken günstig zum abgelegten Rechner eines Informatik-Studenten, der fortan die Hälfte meines großen Schreibtisches einnahm, der zugleich noch Arbeitsplatte, Esstisch, Bügelbrett etc. war. Der Rechner entsprach weder K.s noch meinen eigenen ästhetischen Ansprüchen, aber er war praktisch. Obwohl ich zum Drucken zehn Fahrradminuten zu C. fahren musste – C., die vor dem Studium schon einen Beruf gelernt hatte und sich als eine der wenigen unter uns einen Drucker leisten konnte; und die einen großen Bruder hatte, der noch wenige Jahre vorher auf einer »Anti-Computer-Demo« gewesen war, organisiert von der autonomen Szene unserer kleinen westdeutschen Uni-Stadt.
Wenn ich nachts ein Thesenpapier für ein Referat am Folgetag tippen musste, nahm ich wegen der aufwändigen Drucksituation die Reiseschreibmaschine aus den frühen 1930er Jahren, die mir meine Großeltern vererbt hatten, nachdem sie sich eine elektrische gekauft hatten. Die Reiseschreibmaschine sah sehr elegant aus – K. hat sie gefallen – und ergab trotz ihres schon betagten Farbbandes ein schönes Schriftbild in Courier. Nur etwas laut war sie, und zu schwergängig für das Zehnfingersystem. Wegen des Lärms hatte ich manchmal etwas Streit mit der schon 30-jährigen Frau, die das Zimmer gegenüber meinem bewohnte und mit der ich das Klo, einen Kühlschrank und ein Telefon teilte, die sich allesamt im Treppenhaus befanden. Gleichzeitig telefonieren ging nicht, was ebenfalls zu manchem Konflikt führte; die verbrauchten Telefoneinheiten entnahmen wir unserem Zähler, schrieben sie in ein Buch und rechneten sie am Monatsende ab. Mit meinen Freund_innen in Amerika telefonierte ich aus Kostengründen nie – denen schickte ich Briefe, die ich abends an meinem Tisch, neben dem Computer, schrieb. Anrufbeantworter fand ich wichtigtuerisch – als ob man ständig erreichbar sein müsse.
Ein paar Semester später zog ich nach Berlin und lernte dort jemanden kennen, der ein Handy hatte. Es war bei einem Picknick im Park, der Typ mit dem Handy trug eine Latzhose und sah gar nicht so aus wie jemand, dem man Mitte der 90er Jahre zutraute, ein Handy zu haben. Er wurde ein bisschen ausgelacht für sein Handy bei diesem Picknick. Kurz vorher war er von Süddeutschland nach Ostberlin gezogen, und weil es dort kaum Festnetzleitungen gab, hatte er sich halt ein Handy zugelegt. Andere hatten eine Papierrolle an der Wohnungstür mit einem Stift, damit man Nachrichten hinterlassen konnte, wenn man vorbei kam und vor verschlossener Tür stand. Zum Verabreden mit Leuten in Ostberlin haben wir damals aber auch Postkarten geschrieben. Frankierte Blankopostkarten konnte man in jedem Postamt kaufen, und die meisten hatten einen kleinen Stapel davon zu Hause. Man brauchte sie ständig, um Infomaterial anzufordern.
Drei oder vier Jahre später hatten die meisten von uns statt einem Blankopostkartenstapel eine email-Adresse; Organisationen fingen an, ihr Informationsmaterial im Netz zu veröffentlichen. Ich selbst besaß einen Anrufbeantworter und irgendwann auch ein Smartphone.
In den letzten Semestern ihres Bachelorstudiums schreiben Studierende der Sozialwissenschaften heute Arbeiten über digitale Öffentlichkeiten. Sozialen Medien wird dabei fast schon natürlicherweise ein prominenter Platz im Alltag und eine wichtige Rolle für die Identitätsbildung und die Geschlechterpolitik unterstellt. Prominentes Beispiel für diese umfassende Bedeutung ist die allererste Zeile in Laurie Pennys neo-feministischem Bestseller Unspeakable Things. Die Kurzbiographie der Autorin, nachzulesen auf der Seite gleich nach dem Cover, beginnt: »Laurie Penny was born in London in 1986 and grew up on the Internet«.
Ein paar Freundinnen und ich, allesamt offline aufgewachsen, diskutieren immer noch, ob man sich einen Facebook-Account zulegen sollte. Die Zögerlichen unter uns sind aus Datenschutzgründen dagegen. Praktisch wäre so ein Account allerdings schon