Private Firmen übernehmen in vielen Bereichen öffentlichen Raum. Wer am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, mit der Bahn fährt, eine Flugreise unternimmt oder zum Einkaufen ins nächste Shopping Center geht, bewegt sich immer häufiger in privatisierten Rechtsstrukturen. Das Bundesverfassungsgericht verteidigt die Grundrechte der Bürger mit dem Begriff des »öffentlichen Forums« und zeigt damit zugleich wie sich die öffentlichen Dimensionen gewandelt haben.
Durch zwei Treppenstufen getrennt Ich mag Bier nicht, habe es noch nie gemocht. Grölende Menschenmassen, die Bier saufen, sind mir suspekt. Keine gute Voraussetzung für die Teilhabe an einer Gesellschaft, in der jährlich pro Kopf rund 105 Liter Bier getrunken werden. Aber Biertrinken ist Geschmacksfrage und jedermanns Privatvergnügen. Dein Bier, nicht mein Bier. Vielleicht ist es deshalb provokant, sich auf einen Marktplatz zu stellen und durch ein Megaphon zu rufen: »Für die Freiheit! Trinkt aus! Alkohol ist ein Kommunikationsmittel. Wo wären wir, wenn uns öffentliche oder private Stellen im öffentlichen Raum das, was sie für Anstand oder Moral halten, aufzwingen würden?«
Nun ganz so ist es dann doch wieder nicht. Der öffentliche Raum, die Grünflächen, Straßen und Plätze, sind jedem frei zugänglich, dienen dem kommunikativen Austausch, der Entfaltung einer Gesellschaft, dem politischen, wirtschaftlichen und privaten Leben. Aber die Rechte des einen enden auch hier dort, wo die des anderen beginnen. Und der öffentliche Raum endet dort, wo das Privateigentum beginnt? Ja, hatte auch die Eigentümerin des Passauer Nibelungenplatzes gedacht und dem »Bierdosen-Flashmob« Hausverbot erteilt. Gut 80 Studenten wollten hier »für die Freiheit« Bier kippen. Und sie haben es, für 15 Minuten, eine Dose je Versammlungsteilnehmer. Auf privatem Grund und Boden. Genau so, streng verhältnismäßig, hat es das Bundesverfassungsgericht per Eilentscheid erlaubt.
Man mag den Bierdosen-Flashmob, der im Juli 2015 die Judikativebeschäftigte, für kreativ oder primitiv halten. Eines hat er jedoch, ob gewollt oder nicht, erreicht: den öffentlichen Raum verteidigt gegen eine schleichende, fast unbewusste Privatisierung öffentlicher Lebensbereiche. Zwei Treppenstufen trennen den privatgeeigneten Nibelungenplatz vom stadtgeeigneten Busbahnhof, zwei Stufen, die über die Geltung einer privaten Hausordnung entscheiden, die zwischen unmittelbarer Grundrechtsverpflichtung und mittelbarer Grundrechtsdrittwirkung unterscheiden. [...]
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