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polar #22: Zukunft der Öffentlichkeit




EDITORIAL

 

Liebe Leserin, lieber Leser


Liebe Leserin, Lieber Leser,

die Welt um uns scheint aus den Fugen geraten. Wir sehen entsetzt wie identitärer Populismus und Nationalismus wachsen, wie die grundlegenden Werte von Pluralismus und Demokratie unter Druck geraten. Doch obgleich die verschiedenen Phänomene wortreich beschrieben werden, müssen wir besser verstehen, was in unseren und anderen Gesellschaften vor sich geht. Ein Schlüssel dafür, besser zu verstehen, liegt in einer neuen Auseinandersetzung mit dem Zustand und der Zukunft der Öffentlichkeit. Öffentlichkeit verstanden als die Räume, in denen Unterschiede aufeinandertreffen können, anstatt sich in Blasen zu separieren.

polar befasst sich in der vorliegenden Ausgabe mit der Zukunft der »öffentlichen Räume«. Wir verstehen das Heft als Aufruf zur Reflexion und Wiederentdeckung einer entscheidenden Kategorie des Sozialen und der Demokratie. Wo trifft sich das Noch-nicht-Geteilte und -Gefilterte?
Eine neue Befassung mit dem »Öffentlichen« muss die Augen aufmachen für die digitale Entwicklung des öffentlichen Raums, ihre Öffnungen und Schließungen. Nicht erst im digitalen Zeitalter gilt: »Die« Öffentlichkeit besteht aus vielen unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten, in denen Gesellschaft aufeinandertrifft. Jede Eckkneipe und jede Lokalzeitung sind und waren Teil davon. Gleichzeitig erleben wir im digitalen Raum, wie die Filter Bubble der Algorithmen bestimmt, was wir finden. Der Kampf um die die Rückgewinnung von Öffentlichkeit wird sich insbesondere in der digitalen Sphäre abspielen.

Eine neue Befassung mit dem »Öffentlichen« stößt auf die Frage nach dem Verhältnis von nationalen Öffentlichkeiten, an die wieder starke Steuerungsvorstellungen geknüpft werden, und globaler Entgrenzung, die nach der Herausbildung supranationalen Öffentlichkeiten verlangt. Wie steht es um den Zustand der europäischen Öffentlichkeit und was können wir für ihre Stärkung tun?


Hinzu kommt eine massive Gefährdung analoger Räume, die bislang der öffentlichen Begegnung dienten. Die soziale Schließung von Kitas und Schulen setzt sich fort in den Räumen, in denen wir als Erwachsene zusammenleben - von den Arbeitszusammenhängen bis zu den Kultureinrichtungen. Wie kann es gelingen, die gemeinsamen Räume gegen das Auseinanderdriften der Schichten und Milieus zu bestärken?

polar fragt nach Zustand und Bedeutung des öffentlichen Raums: In ihrem Eingangstext plädiert Sabine Meier für den Erhalt öffentlicher Räume als Orte zweckfreier Kommunikation und der sozialen Inklusivität. Für Ole Meinefeld ist öffentlicher Raum ein Bereich, in dem Erfahrungen geteilt werden können. Heinz Bude befasst sich in seinem Beitrag für dem der Begriff der Inklusion und sieht in der Solidarität den Schlüsselbegriff einer Politik der Begegnung. Carlos Becker beschreibt den sozialen und demokratischen Wert des Privaten. Um den schillernden Begriff der Partizipation und die mit ihm verbundenen Hoffnungen geht es bei Darin Barney. Das Ziel politischer Bildung sieht Thomas Krüger in der Handlungsfähigkeit und Subjektstärkung des Menschen. Christoph Raiser plädiert für europäische Narrationen, die den grenzüberschreitenden Austausch über gemeinsame Ziele ermöglichen. Im Beitrag von Moritz Hien geht es um die juristischen Grenzen des öffentlichen Raums und wie diese auch mittels Bierdosen-Flashmobs gegen eine schleichende Privatisierung verteidigt werden können. Ludger Schwarte beklagt ein unzureichendes Verständnis des Begriffs der Öffentlichkeit und fordert Differenzierung und eine neue Theorie demokratischer Öffentlichkeit.

Doch wie ist es um die digitalen Räume bestellt? Volker Gerhardt  beschreibt in seinem Beitrag Fluch und Segen der digitalen Technik. Jan-Hinrik Schmidt widmet sich in seinem Text der Bedeutung des Internets für die Meinungsbildung und problematisiert eine Verschiebung hin zum Leben in der eigenen Blase. Das sieht Boris Fust genauso und zieht die Schlussfolgerung, das Internet sei kein Ort mehr, an dem sich etwas erleben ließe - neu sei, dass man alles schon kenne. Joachim von Gottberg zeigt am konkreten Fall ein funktionierendes System der freiwilligen medialen Selbstkontrolle. Theresa Züger beschreibt - am Beispiel des Whistleblowing - wie die Vielschichtigkeit von Information und die Ambivalenz von Bedeutungen uns zeigen, dass es stets ein mühsames Unterfangen ist, sich der Wahrheit gewiss zu sein. Um Dauerhasser und Krieger an der Tastatur geht es im Beitrag von Christian Neuner-Dudenhofer. In Anbetracht der Tatsache, dass sich ein großer Teil des politischen und sozialen Diskurses zunehmend von der Straße in den virtuellen Raum verlagert, fragt Jennifer Vogelsang nach der Versammlungsfreiheit im Netz.

Und was macht die öffentliche Kunst? Am Beispiel von Wolfgang Herrendorfs Online-Tagebuch Arbeit und Struktur fragt Maximilian Burk nach der Rolle von Authentizität für die Rezeption eines Textes. Verena Hepperle geht der These nach, zeitgenössische Schriftstellerinnen und Schriftsteller seien weniger politisch engagiert - und wiederlegt sie an Hand eines eindrücklichen Beispiels. Fiona Geuß schließlich beschreibt in ihrem Text den Wandel des Öffentlichkeitsverständnisses in der Kunst nach 1986 hin zu einer Kunstpraxis, die auf gemeinschaftlichem Handeln und dem gemeinsamen Gespräch aufbaut. In der Hoffnung, dass Sie etwas finden konnten, was Sie nicht gesucht haben!

Für die Redaktion
Peter Siller, Bertram Lomfeld



BEGEGNUNG

 
Sabine Meier
Third Places
Öffentliche Räume als Begegnungsorte mit dem Unbekannten
 
Ole Meinefeld
Geteilte Erfahrung
Für eine Politik des öffentlichen Raums
 
Heinz Bude
Begegnung und BerĂĽhrung
Was für eine Gesellschaft wäre eine »inklusive Gesellschaft«?
 
Carlos Becker
Kommunikative Autonomie
Zum demokratischen Wert der Privatheit
 
Darin Barney
Partizipatorische Verhältnisse
Verkehrung eines demokratischen Versprechens?
 
Thomas KrĂĽger
Wen erreicht politische Bildung?
Von Interessierten, SchĂĽler/innen, Bildungsbenachteiligten und Demokratieverdrossenen
 
Christoph Raiser
Andere Geschichten
Zur Erneuerung einer europäischen Öffentlichkeit
 
Moritz Hien
Bierdosen fĂĽr die Freiheit
Öffentliches Forum und private Märkte
 
Susann Neuenfeldt / Simon Strick
>DEMOCRACY<
Leonard Cohen – David Bowie – Prince – Phife Dawg



BLASE

 
Volker Gerhardt
Zu nah am Feuer
Das unvergleichlich Neue der digitalen Technik und ihre gerade darin unterschätzte Gefahr. Eine Überlegung in 8 Punkten.
 
Jan-Hinrik Schmidt
Filterblasen und Echokammern
Das GefĂĽge digitaler Kommunikation
 
Boris Fust
Personalisierte Ausspielungen
Alter Wein in neuen digitalen Schläuchen?
 
Joachim von Gottberg
Ă–ffentliche Selbstbindungen
Das Prinzip der medialen Selbstkontrolle
 
Theresa Züger
Die Wahrheit und ihre neuen Kleider
Whistleblowing als Ausdruck gesellschaftlicher Wahrheitssuche
 
Arnd Pollmann
Ist es links? >Postfaktizität<
Authentischer Bullshit
 
Thomas Hoffmann
Ist es links? >Postfaktizität<
We’re all living in America
 
Christian Neuhäuser
Ist es links? >Postfaktizität<
Gefährliche Post-Phänomene
 
Sarah Tietz
Ist es links? >Postfaktizität<
Alles sinnlos
 
Christian Neuner-Duttenhofer
Haters gonna hate
Was tun gegen den Hass im Netz?
 
Jennifer Vogelsang
Versammlungsfreiheit 2.0
Vom Schutz der Zusammenkünfte im virtuellen Raum



MEIN HALBES JAHR

 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Jackie Lynn – The Fall
 
Elias Kreuzmair
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Selbst – Die Toten – Die Literatur und das Recht auf den Tod
 
Peter Siller
Mein halbes Jahr: >Comic<
Deadly Class – Die Favoritin – Drei Steine – Ein diabolischer Sommer u.a.
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Tatort: Freitod, Land in dieser Zeit – Vier gegen die Bank – Arrival



BARRIERE

 
Ludger Schwarte
Irgendjemand entscheidet
FĂĽr eine neue Theorie demokratischer Ă–ffentlichkeit
 
Maximilian Burk
Schreiben zum Tode
Authentizität und Text in Herrndorfs ''Arbeit und Struktur''
 
Verena Hepperle
Das wiederum.
Zum Selbstverständnis politisch engagierter Gegenwartsliterat/innen
 
Fiona GeuĂź
End Your Silence
Öffentlichkeitsverständnisse in der Kunst nach 1968
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >offline/online<
 
Martin Saar
Leben im Kapitalismus: >Ă–ffentliches Sprechen<



SCHÖNHEITEN

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