





polar #22: Zukunft der Öffentlichkeit
EDITORIAL
BEGEGNUNG
Sabine Meier Third Places Öffentliche Räume als Begegnungsorte mit dem Unbekannten
| Ole Meinefeld Geteilte Erfahrung Für eine Politik des öffentlichen Raums
| Heinz Bude Begegnung und Berührung Was für eine Gesellschaft wäre eine »inklusive Gesellschaft«?
| Carlos Becker Kommunikative Autonomie Zum demokratischen Wert der Privatheit
|
 |
Darin BarneyPartizipatorische VerhältnisseVerkehrung eines demokratischen Versprechens? | In vielen zeitgenössischen demokratischen Gesellschaften ist Partizipation zu einer die faktischen wie normativen Verhältnisse bestimmenden Größe geworden: Partizipation beschreibt heute sowohl eine Tatsache als auch eine prinzipielle Erwartungshaltung. Dieser Sachverhalt zieht sich durch die Sphären von Politik, Kunst, Kultur, Wirtschaft und Medien. Inzwischen steht der Begriff der Partizipation dabei oft stellvertretend für eine ganze Reihe verschiedener Ziele und Ansprüche - etwa Ansprüche auf Gleichberechtigung, Anerkennung, Gerechtigkeit und Pluralismus. Zugleich bleibt das Verhältnis zwischen dem Begriff der Partizipation und solchen Ansprüchen ein komplexes und teilweise widersprüchliches. Aber was steht eigentlich in unserem zeitgenössischen normativen Bekenntnis zur Partizipation auf dem Spiel?
Teilhabe und Ausschluss Die Gleichsetzung von Politik und Partizipation hat eine lange Geschichte in der westlichen Tradition - eine Geschichte, in deren Laufe wir uns daran gewöhnt haben, Partizipation als das entscheidende Merkmal von politischen Erfahrungen zu erwarten und hinzunehmen. Es ist eben diese Geschichte, die uns empfänglich für partizipatorische Verhältnisse gemacht hat. Gemäß der klassischen Aristotelischen Definition ist der Bürger derjenige, der teilnimmt, und zwar speziell »an der Entscheidung und der Bekleidung eines Staatsamtes« (Politik, III.1). Im Gegensatz dazu heben moderne Konzeptionen von Staatsbürgerschaft eher Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit hervor, d.h. den Status des Anerkannt-Seins als Teil einer politischen Gemeinschaft. Der Begriff der Partizipation umfasst Staatsbürgerschaft in beiden Dimensionen: Zu partizipieren bedeutet sowohl teilzunehmen wie teilzuhaben. Bereits hier deutet sich eine strukturelle Spannung im Kern der westlichen Konzeption von Staatsbürgerschaft an, die wir als die Nichtidentität von Partizipation als Aktivität und Partizipation als Zugehörigkeit beschreiben können. Einfach ausgedrückt: Nicht jeder, der an einer politischen Gemeinschaft partizipiert, indem er an ihr teilhat, partizipiert auch an ihr, indem er sich aktiv in sie einbringt. Viele, die »dazugehören«, würden es bevorzugen, sich nicht einbringen zu müssen - und der Liberalismus erklärt dies zu ihrem guten Recht (obwohl zugleich neu entstehende Technologien dieses Recht wieder aushöhlen, indem sie Partizipation verpflichtend machen).
Zugleich aber zeigt die tatsächliche Geschichte demokratischer Gesellschaften, dass die aktive politische Partizipation einiger Gesellschaftsmitglieder auch darauf basiert, andere von der Mitbestimmung in politischen Institutionen strukturell auszugrenzen. Die Existenz einer Klasse von Teilhabenden ohne Teilnahmeberechtigung ist schon in Aristoteles' klassischer Formulierung des Bürgerstatus präsent, der zufolge Sklaven und Frauen zwar einerseits zum Haushalt, und damit auch zur polis gehören, deren systematischer Ausschluss von politischen Entscheidungen und Staatsämtern aber andererseits auch eine Bedingung der Möglichkeit der Partizipation männlicher griechischer Bürger darstellt. Frauen und Sklaven waren, um einen Ausdruck Jacques Rancières zu borgen, der »Anteil der Anteilslosen«. Partizipation im Sinne von Zugehörigkeit garantiert demnach nicht, dass man sich auch aktiv einbringen kann - eine Realität, die auch noch in einer Gesellschaft materiell bestehen bleibt, die immer mehr Gruppen formal Bürgerrechte zugesteht. Noch deutlicher tritt dieser Widerspruch am Beispiel der steigenden Anzahl undokumentierter Einwanderer hervor, denen die Anerkennung als Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft verwehrt bleibt, obwohl sie an dieser aktiv teilnehmen. Tatsächlich kann, wie auch Rancière beobachtet, die Geschichte des Politischen ebenso wie seine Substanz zu einem großen Teil den ewigwährenden Kämpfen von Teilhabenden ohne Teilnahmeberechtigung um eine Neuverteilung der gesellschaftlichen Anteile zugeschrieben werden. [...]
|

| Thomas Krüger Wen erreicht politische Bildung? Von Interessierten, Schüler/innen, Bildungsbenachteiligten und Demokratieverdrossenen
| Christoph Raiser Andere Geschichten Zur Erneuerung einer europäischen Öffentlichkeit
| Moritz Hien Bierdosen für die Freiheit Öffentliches Forum und private Märkte
| Susann Neuenfeldt / Simon Strick >DEMOCRACY< Leonard Cohen – David Bowie – Prince – Phife Dawg
|
BLASE
MEIN HALBES JAHR
BARRIERE
SCHÖNHEITEN
Birthe Mühlhoff Ausgestellte Intimität Party der digitalen Öffentlichkeit: Amalia Ulmans Instagram
| Heiko Schulz Declare, or shut the fuck up Kollektivbewusstsein aus dem Schlamm: David Milchs Deadwood
| Anna-Catharina Gebbers Lesehallen-Bewegung Gegen die Schließung: Die Initiative A Public Library
| Robin Celikates Mehr als Kritik Aufruf zur Gegenpraxis: Öffentlichkeit und Erfahrung von Oskar Negt und Alexander Kluge
| Simone Jung In-Beziehung-Setzen Virtuelles Kollektiv: Die Verfilmung von Ferdinand von Schierachs Terror
| Ann-Charlotte Günzel Auf der Straße Verklärung und Wahrheit: Judith Butlers Theorie der Versammlung
| Franziska Humphreys Eine halbe Ewigkeit Platzbesetzungen und Versammlungen: Über neue Formen des öffentlichen Protests
| Ulrike Meyer Ohne Worte Den Menschen sehen: ''Über den Unterschied der Gesichtszüge im Menschen'' im Berliner Schadow-Haus
| Anna Sailer Wir waren schon weiter Öffentlicher Auftrag: Dominik Grafs ''Es werde Stadt'' und ''Keimena'' der documenta 14
| Bertram Lomfeld Diskursive Utopie Lass uns chatten: ''Strukturwandel der Öffentlichkeit''
|
|

nach oben

|
|
 |
|