Der deutsche Fernsehfilm in seiner spezifisch-populären Form als Tatort kommt zumeist ohne Öffentlichkeit aus. Der Grund für die Abgeschiedenheit von öffentlichem Leben dürfte das Geld sein - Kammerspiele mit Innenraumszenen schonen das Budget. Das Gegenteil etwa vom neuen Frankfurter Kommissariat, in dem die beiden Ermittler Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) sehr häufig sehr alleine im Büro zu sehen sind, wäre ein Film wie Wolfgang Petersens skurril-eingedeutscher Gangsterfilm Vier gegen die Bank. Dort wird der fast zweistellige Millionenetat auch ins Gewusel von Komparsen investiert. Das Verbrechen findet dennoch in fast privatem Kreise statt, wozu auch ein Rendezvous mit der ermittelnden Kommissarin gehört.
Da der Tatort aber nicht selten gesellschaftlich relevante Themen verwurstet, kommt er manchmal nicht umhin, Öffentlichkeit zu simulieren. Dann steht eine Gruppe von schlechten, weil übermotivierten Komparsen Spalier, um etwa als fundamentalistische Lebensschützer in der Schweizer Folge Freitod (Folge 993, 18. September 2016) gegen eine Sterbehilfeorganisation zu protestieren. Ebenfalls unbefriedigend ist das Verhältnis des Tatort zu den Agenten medialer Öffentlichkeit. Journalisten benehmen sich in den ARD-Sonntagabendkrimis zumeist wie schlechte Komparsen, agieren also übermotiviert (blitzen zum Beispiel aufdringlich mit dem Fotoapparat), oder treten von vornherein als öffentlich-rechtliches Product Placement in Erscheinung, also als bekanntere Fernsehnase aus dem jeweiligen Sendegebiet. Das hat sicher auch etwas zu tun mit der Konkurrenz zwischen Polizist und Journalist als Investigationsfigur - da sich der Tatort für den Gesetzeshüter als Erzählsonde entscheidet, bedarf er keines parallel recherchierenden Charakters.
Schwerer darzustellen ist dagegen medialer Druck, weshalb eine Szene im der Folge Land in dieser Zeit besonders drollig wirkt. Es geht um einen Flüchtling, der als Verdächtiger eines Brandanschlags mit Todesfolge verhaftet worden ist - ein Fall, der in der emotionalisierten Gegenwart einiges an medialer Aufruhr bewirken würde. Als seine Unschuld bewiesen ist, begleitet ihn der Kommissariatschef persönlich hinaus, und zwar sicherheitshalber zum Hinterausgang. Auf diese Weise entschlägt sich der Tatort fast ironisch den Erwartungen, die er sowieso nicht bedienen kann: Am Hinterausgang lauert natürlich niemand, zugleich gibt es in dem Film weder Journalisten zu sehen, noch spürt man, dass die Ermittlungen durch die veröffentlichte Meinung getrieben wären. Im Revier herrscht, wie gesagt, große Leere.
Von anderer Qualität ist erwartungsgemäß Denis Villeneuves Science-Fiction-Linguistik-Studie Arrival. Dort suchen außerirdische Heptapods die Erde an zwölf verschiedenen, global verteilten Schauplätzen heim. Im Grunde ist auch dieser Film ein Kammerspiel, er verbringt sehr viel Zeit damit, einer Forscherin (Amy Adams) bei Kommunikationsversuchen zuzuschauen, was bedeutet, die rorschachähnlichen Tintenkleckse der Außerirdischen lesen zu lernen. Die Erschütterung, die die Ankunft der fremden Wesen bewirkt und die der friedlichen Problemlösung vorausgeht, vermittelt der Film als gezielten medialen Overkill an der Universität der Forscherin, dem ein wenig Parkplatzpanik folgt. Gerade weil die Heptapods eine globale Herausforderung darstellen, lässt sich das Draußen über die Newssendungen auf Bildschirmen erzählen. Die finale Rettung aber ist durch das als weltweit suggerierte Gelärm zugespitzt auf ein privatistisches Elitenprojekt: Krieg kann nur verhindert, Frieden bewahrt werden durch den einen Anruf auf dem Mobiltelefon des mächtigsten Entscheiders. Tatort: Freitod, Deutschland, 2016, Regie: Sabine Boss, 88 Minuten Tatort: Land in dieser Zeit, Deutschland, 2016, Regie: Markus Imboden, 88 Minuten Vier gegen die Bank, Deutschland, 2016, Regie: Wolfgang Petersen, 96 Minuten Arrival, USA, 2016, Regie: Denis Villeneuve, 116 Minuten
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