Emanzipatorische Gesellschaftstheorien der Moderne, seien sie marxistischer, pragmatistischer oder republikanistischer oder gar anarchistischer Provenienz, betonen die dialektische, das heißt unabdingbare und produktive Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft. Die Gesellschaft entsteht aus den unermesslich vielen Ichs, die alle etwas Eigenes und Einzigartiges in die Waagschale werfen, und das einzelne Ich findet Anklang in einer Gesellschaft, die in ihren Institutionen, Gewohnheiten und Übereinkünften die Impulse, Ideen und Initiativen ihrer Mitglieder widerspiegelt. Ohne die Differenz im Einzelnen keine Identität im Ganzen. Eine Atmosphäre der persönlichen Freiheit und des öffentlichen Glücks kann dann gedeihen, wenn die Verfassung des Gemeinwesens den Eigensinn der Bürgerinnen und Bürger oder sonst wie sich verstehender Personen erwartet und begrüßt.Das soziale Band einer heterogenen Gesellschaft
Eine emanzipatorische Gesellschaftspolitik hat demgemäß eine doppelte Aufgabe: einerseits das Spiel der heterogenen Lebenspraxen zu ermöglichen und andererseits die Gesellschaft als öffentlichen Raum zu bewahren, in dem die Einzelnen sich begegnen und ihre jeweiligen Lebensentwürfe aufeinander beziehen können. Der Zwang zur Integration dient dem genauso wenig wie ein Laisser-faire der Indifferenz. Es bleibt sonst entweder die persönliche Freiheit oder das öffentliche Glück auf der Stecke.
Das muss man sich vor Augen halten, wenn man das Passepartout der gesellschaftlichen Inklusion als gesellschaftspolitischen Leitbegriff aufruft. Schließlich wird der Begriff mit dem Anspruch, eine gesellschaftsverändernde Politik anzuleiten, verwendet. Es existiert ein entsprechender rechtlicher Rahmen, es treten Advokaten auf, die wissenschaftliche Erkenntnisse über einschlägige Praktiken präsentieren, und es melden sich Gruppen von Betroffenen, die Erfahrungen der Missachtung vorbringen und Rechte auf Berücksichtigung einklagen. Man könnte also glauben, dass sich in der Tat eine ganze Kulisse für die Durchsetzung einer neuen gesellschaftspolitischen Formel aufbaut.
Umso wichtiger erscheint es, sich über einige Implikationen dieses Begriffs, gegen den offenbar schwer etwas zu sagen ist, Klarheit zu verschaffen, damit man nicht von unintendierten Folgen und paradoxen Effekten überrascht wird oder über verpuffende Mobilisierungen und leer laufende Debatten in Verzweiflung gerät. [...]