Schriftsteller/innen engagieren sich nicht mehr politisch? Oder falls doch, dann nur aus Eigennutz heraus? Das Beispiel Marlene Streeruwitz beweist das Gegenteil. Die unter anderem durch feministische Erzählungen bekannt gewordene Autorin reagierte 2016 anlässlich der Wiederholung der österreichischen Bundespräsidenten-Wahl, da die Entscheidung keine geringere als eine »für oder gegen Demokratie« dargestellt habe. Einem schreibenden Einsatz für Demokratie verpflichtet sieht sich Marlene Streeruwitz allerdings nicht nur punktuell. Ihre Inszenierung als engagierte Autorin hat Prinzip.
Generationenwechsel
Für Heinrich Böll war das Engagiert-Sein in den Sechziger Jahren eine Selbstverständlichkeit und auch von Günter Grass ist bekannt, dass er in den Siebzigern Einfluss auf politisches Geschehen nehmen und selbst Einfluss unter Willy Brandt ausüben wollte. Als ihm der Kanzler eine entsprechende Position jedoch verwehrte, reagierte Grass verärgert – wie Aufzeichnungen des Journalisten Klaus Harpprecht vermuten lassen. Nichtsdestotrotz blieb Grass der SPD bis ins hohe Alter treu und glaubte noch 2001 gemeinsam mit Martin Walser, Stefan Heym, Christa Wolf und Volker Braun den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr durch in der Lobby des Kanzleramts geführte Gespräche abwenden zu können.
Carolin John-Wenndorf nennt Beispiele wie jenes von Böll oder Grass im Gegensatz zu jüngeren Schriftsteller/innen-Generationen. Diese zeigten sich weniger politisch engagiert, so ihre These (Der öffentliche Autor, 2014). Komme es noch zu einer »intellektuelle[n] Intervention«, dann nur als »Moment des Engagements«, »das […] maßgeblich durch inszenatorischen Eigenwert, Medienwirksamkeit und Entertainment besticht.« Auch gehe »die Bereitschaft der Schriftsteller zu außerparlamentarischem Protest zurück.« John-Wenndorf nennt als Voraussetzung für politische Einmischung den Anschluss an bzw. die Integration in eine Gruppe. Der Einsatz möchte sodann eine wie auch immer gelagerte Gruppen-Benachteiligung angehen. Als Gründe, warum sich die aktuell schreibende Riege weniger gegen Diskriminierungen beispielsweise auf den Feldern der sozialen Sicherung, des Friedens sowie der Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsradikalismus engagiere, führt sie die folgenden beiden an: Erstens sei die Schriftsteller/in als Schriftsteller/in auf diesen Feldern nicht heimisch und zweitens bestehe die Gefahr, dass er/sie von der zu repräsentierenden Gruppe (deshalb) nicht ernst genommen werde. [...]