





polar #22: Zukunft der Öffentlichkeit
EDITORIAL
BEGEGNUNG
BLASE
MEIN HALBES JAHR
BARRIERE
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Birthe MühlhoffAusgestellte IntimitätParty der digitalen Öffentlichkeit: Amalia Ulmans Instagram | Constant Dullaart kauft 2014 im Rahmen eines Kunstprojekts 2,5 Mio. Fake-Follower, die er auf die Instagram-Accounts verschiedener bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten der Kunstszene so verteilte, dass alle Accounts auf eine gleich große Anzahl kamen. Jenen egalitären Effekt, den der Berliner Künstler Hans Hemmert Mitte der 90er erzielen wollte, indem er seinen Gästen Plateauschuhe aus Styropor in unterschiedlichen Höhen anbot (als Foto heute ein virales Meme auf Facebook), produziert Dullaart, indem er Follower verschenkt: Eine Same-Height-Party der digitalen Öffentlichkeit. Bloß dass die Party im Internet nicht damit endete, dass man seine Schuhe an der Türe wieder abgab. Für die damals noch unbekannte, 1989 geborene Künstlerin Amalia Ulman ist das Geschenk ein Glücksfall. Sie gilt heute als die »erste große Instagram-Künstlerin«; ihre Foto-Serie, die zuvor entstanden war, wird heute in der Londoner Tate ausgestellt. Mehrere Monate lang gewährte sie intime Einblicke in das (fiktive) Leben einer jungen Frau, die als Escort zu arbeiten beginnt. Selfies vom Nervenzusammenbruch, vom (gefakten) Boob Job, von der Läuterung samt Yoga und Smoothies. Sie speiste in die Instagram-Öffentlichkeit eine Privatperson ein, die aus den Erwartungen eben dieser Öffentlichkeit besteht.
Nun also folgte eine zweite Serie: »Reputation«. Diesmal begegnet uns eine schwangere Business-Frau am Rande von Überarbeitung, Wahnsinn und Verschwörungstheorie. Die Serie findet zeitgleich auf Instagram und in Form von Ausstellungen statt, unter anderem in der New Galerie in Paris, wo sie die Requisiten der Story zu einer Installation arrangiert. Und interessanterweise geht in diesen überwiegend in rot und schwarz gehaltenen Räumen der Galerie all das verloren, was die erste Serie ausmachte: der Reiz der Intimität mit dem sehr Fremden; die Frage, was wir (inzwischen) bereit sind, für authentisch zu halten. Stattdessen nun: plakative, persönlichkeitsentleerte Symbolik, hübsch arrangiert. Der gesellschaftskritische Anspruch ist offensichtlich - auf Instagram endete die Serie wie angekündigt am Tag der amerikanischen Wahlen. Als gäbe es so etwas wie »die« wahnsinnig gewordene Gesellschaft. Als könnte es das geben: ein Profil der Öffentlichkeit im Internet, auf dem sie ihre Gemütszustände postet.
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