polar #11: Sicherheit
EDITORIAL
SORGE
STRESS
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| Christopher Daase Sicherheit schlägt Frieden Zum normativen Wandel in der Weltpolitik
| Kendra Briken Nachbar, Nonprofit, Niedriglohn Neue politische Ă–konomien der inneren Sicherheit
| Mark Neocleous Der Sicherheitsfetisch Zur Produktion von Sicherheitswaren
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Alexandra RauĂ„ngstlich bin ich sowiesoFurcht und Beistand in der postfordistischen Arbeitswelt | »Traurig bin ich sowieso« – das sang Bettina Wegner damals Ende der 1970er Jahre, in der DDR. Das war pathetisch, aber auch für mich als sozialisiertes Westkind noch zehn Jahre später und für die Beschreibung meines Lebensgefühls in fordistischen, kleinbürgerlichen Verhältnissen der Enge irgendwie stimmig. Mittlerweile ist nur noch wenig eng, umgekehrt vieles fast zu weit. Ich weiß selten, was übermorgen kommt, noch seltener, was eigentlich richtig ist und arbeite gefühlt und faktisch prekär vor mich hin. Die Trauer ist mir nicht abhanden gekommen. Aber sie spielt eine untergeordnete Rolle. Heute ist es eher die Angst, die mein Begleiter ist. »Ängstlich bin ich sowieso«. Ich wünsch mir Schutz und einen Platz, an dem ich einfach sein kann.
Paolo Virno hat behauptet, es sei tatsächlich die Angst, die unsere Lebensform heute im Postfordismus auszeichnet. Er konturiert sie im Unterschied zur Furcht, die er als eine Form des Bangens beschreibt, die relativ, da immer konkret, klar umgrenzt und benennbar sei; die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes etwa. Verortet sei die Furcht im Innern der Gemeinschaft und deren Lebens- und Verkehrsformen. Entsprechend sieht er den Widerpart der Furcht in einer Sicherheit, einer äußeren Sicherheit, die die Gemeinschaft gewährleisten könne. Das Phänomen Angst ist nach Virno hingegen eine absolute Form des Bangens. Sie sei diffus, unbestimmt, kenne keinen privilegierten Anlass und könne in jedem beliebigen Moment auftauchen. Sie trete dann auf, wenn die Gemeinschaft an Bedeutung verliere und das Individuum das Verhältnis zwischen sich und der Welt in der Form des Alleinseins erfahre. Niemand sei so sehr isoliert wie derjenige, der die Last der Welt spüre. Widerpart der Angst sei entsprechend nicht die Sicherheit, sondern der Beistand, wie ihn etwa die religiöse Erfahrung vermittle – wenn man so will, eine Art innerer Sicherheit also. Die Pointe bei Virno ist, dass er für die Gegenwartsgesellschaft meint, Furcht und Angst seien nicht mehr klar zu unterscheiden, sondern fielen in der Lebenspraxis zusammen. Furcht sei immer angsterfüllt, die begrenzte Gefahr verweise stets auf die generelle Gefährlichkeit des Umstands, der Welt ausgesetzt zu sein. Eine Lesart davon wäre zu sagen, Furcht und Angst vermischen sich und produzieren in actu ein Begehren nach äußerer und innerer Sicherheit. Genau das verweist auf die Grammatik unserer Existenzweise in postfordistischen Verhältnissen der Freiheit. [...]
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SPIRALE
SCHÖNHEITEN
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