Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #11: Sicherheit




EDITORIAL

 
Peter Siller, Bertram Keller
Editorial



SORGE

 
Herfried MĂĽnkler
Sicherheit und Freiheit
Eine falsche GegenĂĽberstellung
 
Thomas Biebricher/Frieder Vogelmann
Die Ich-GmbH
Alternativen zum stahlharten Gehäuse der Verantwortung
 
John T. Hamilton
Kinder der Sorge
Ein Mythos ĂĽber die Sicherheit
 
Achim Vesper
Zuviel des Guten
Sicherheit als Aufgabe des Staates nach Hobbes
 
 

Dirk Setton

It’s out there…

Pathologie der Sicherheit und Poetik der Überempfindlichkeit in Todd Haynes’ Safe


Im Vorspann des Films blicken wir durch die Windschutzscheibe eines Autos, das durch die Dämmerung von suburbia fährt. Straßenlaternen und Wohnhäuser ziehen vorbei, bis nach einigen Sekunden der helle Schriftzug »[SAFE]« eingeblendet wird, als würde er mitten auf der Straße im Leuchtkegel der Autoscheinwerfer erscheinen. Die vier großen Lettern blinken drei Mal innerhalb ihrer Einklammerung auf, danach hat der Schriftzug seine Farbe gewechselt. Nicht mehr weiß, sondern rot strahlt dem Zuschauer nun das mehrdeutige Graphem entgegen, das Todd Haynes’ Film von 1995 im Titel führt. »[SAFE]« scheint zunächst das plakative Symbol für eine Logik der Sicherheit zu sein, die den Schutz einer Umschließung vorsieht. Und damit soll wohl derjenige Ort bezeichnet sein, an den uns der Vorspann versetzt: die gut eingehegte Vorstadt als innere Privation des urbanen Raums, die eine Geographie der Absicherung gegen die Risiken von Stadt, Gesellschaft und Öffentlichkeit errichtet. Der Film aber, so verrät uns bereits der Vorspann, scheint sich in erster Linie für ein bestimmtes Geschehen innerhalb dieser suburbanen Sicherheitsumschließung zu interessieren – für jenes mehrfache innere Aufleuchten, das die Form von »[SAFE]« unverändert belässt, nicht aber dessen farbliches Aussehen.

Carol White ist die Heldin von [SAFE]. Mit ihrem Mann und dessen Stiefsohn lebt sie 1987 im San Fernando Valley im Nordwesten von L.A. Sie macht Aerobic, Obstdiäten und verwindet so geduldig wie lustlos sexuelle Episoden mit dem Gatten. Das alles ändert sich, als Carol beginnt, inmitten ihrer [SAFE]-Box unerklärliche Symptome zu entwickeln. Das in falscher Farbe gelieferte Sofa macht ihr Kopfschmerzen; Lkw-Abgase auf dem Highway rufen einen asthmatischen Anfall hervor; beim Friseur nach der Dauerwelle rinnt ihr das Blut aus der Nase; das Deodorant ihres Mannes lässt sie auf den Bettvorleger kotzen; beim Besuch einer Babyparty erstickt sie fast während eines Anfalls von akuter Atemnot; und beim Versprühen von Desinfektionsmitteln in der Reinigung überfällt sie ein epileptischer Krampf. Niemand versteht jedoch, was mit ihr los ist. Dem Hausarzt zufolge ist Carol kerngesund, der Psychiater ist nicht in der Lage, eine psychosomatische Diagnose nachzuliefern, und der Allergologe kann bloß eine Milchallergie entdecken. Allein alternativmedizinische Diskurse mit ihrer suggestiven Diagnose, dass es sich um Environmental Illness handle, scheinen einen Ausweg für Carol zu bieten: Sie siedelt über nach Wrenwood, einem Sanatorium in der Wüste von New Mexico, das sich auf neuartige Immunstörungen spezialisiert hat. Der Weg von suburbia ins New-Age-Retreat führt allerdings nur von dem einen [SAFE]- Regime ins nächste. Carol geht es nicht besser, aber sie ist in ihrem Element: Am Ende des Films wohnt sie in der ultimativen [SAFE]-Box, einem mit Porzellan ausgekleideten Betoniglu. [...]  



 
Berthold Vogel
Soziale Sicherheit
Ein unstillbares BedĂĽrfnis
 
Peter Siller/Judith Karcher/Stefan Huster/Arnd Pollmann
Ist es links?: >Grundeinkommen<
 
Ulrich Bröckling
Aktivistischer Negativismus
Sicherheit und Gesundheit im Zeichen des Precautionary Principle
 
Interview Christiane Rösinger
»Love is dead«



STRESS

 
Christian Neuhäuser
Der Turm
Taiwan, der 101 Tower und China – ein nicht ganz risikofreies Beziehungsgeflecht
 
Charlotte Misselwitz
Israelische Sicherheiten
Wann werden Sicherheitssysteme autoaggressiv?
 
Thomas Biebricher
Revolte und Einmischung
Ein Erfahrungsbericht aus Bengasi
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Permanenter Stress<
 
Christopher Daase
Sicherheit schlägt Frieden
Zum normativen Wandel in der Weltpolitik
 
Kendra Briken
Nachbar, Nonprofit, Niedriglohn
Neue politische Ă–konomien der inneren Sicherheit
 
Mark Neocleous
Der Sicherheitsfetisch
Zur Produktion von Sicherheitswaren
 
Alexandra Rau
Ă„ngstlich bin ich sowieso
Furcht und Beistand in der postfordistischen Arbeitswelt
 
Marcus Balzereit
Kein Grund zur Panik?
Wie mit dem Wissen ĂĽber die Angst regiert wird
 
Interview Tim Kaiser/Ole Barnick
»Unter dem Sattelschlepper nützt der Helm wenig«
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Befestigtes Lager<
 
Alban Lefranc
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Pierre Bergounioux – William Faulkner – Stendhal
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: >Musik<
BFBS – Nero – James Blake – Battles – Jan Delay
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Schlafkrankheit – Ohne Limit – Der Plan



SPIRALE

 
Alice Lagaay
Nichts als das Geheimnis ist sicher!
Die TagebĂĽcher von Wikileaks
 
Interview Ilija Trojanow
»Eine Spirale der Aufrüstung«
 
Dietmar Kammerer
Menschen vor Bildschirmen
Was bekommen wir zu sehen, wenn wir das Bild des toten Terroristen nicht sehen dĂĽrfen?
 
Konstantin von Notz/Nils Leopold
Datenschutz muss sich ändern
Eine Aufforderung an den Gesetzgeber
 
Maja Bächler
Körper der Lügen
Wie Hollywood den permanenten Ausnahmezustand inszeniert
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Schutzschild<



SCHÖNHEITEN

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