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polar #11: Sicherheit




EDITORIAL

 
Peter Siller, Bertram Keller
Editorial



SORGE

 
Herfried MĂĽnkler
Sicherheit und Freiheit
Eine falsche GegenĂĽberstellung
 
 

Thomas Biebricher/Frieder Vogelmann

Die Ich-GmbH

Alternativen zum stahlharten Gehäuse der Verantwortung


2002 wurde die »Ich-AG« zum Unwort des Jahres gewählt, doch ihre Bedeutung geht weit darüber hinaus. Sie ist der Schlüsselbegriff der die letzten anderthalb Dekaden in vielerlei Hinsicht auf den Punkt bringt. Das zum Vorbild individueller Verhaltensmodellierung aufgestiegene, strikt am Gewinnstreben orientierte Unternehmertum findet sich nicht nur in der Figur des Arbeitskraftunternehmers analysiert, sondern wird planmäßig vom aktivierenden Wohlfahrtsstaat produziert, dessen tiefe Eingriffe Eigeninitiative aus dem Tagebau »Individuum« fördern und zugleich dessen Mithilfe bei der eigenen Disziplinierung fordern.

Theoretisch vorbereitet wurde diese Sichtweise des Individuums als Unternehmer seiner Selbst gleichwohl schon Anfang der 1970er Jahre, als der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Gary Becker seine Theorie des Humankapitals entwickelte, nach der Individuen letztlich als Kapitalisten zu verstehen sind, die unterschiedliche Investitionen in eigene Fähigkeiten und Ausstattungen in der Hoffnung auf eine möglichst hohe Rendite vornehmen. Der tatsächliche Unternehmer, der in Arbeitskräfte, neue Fertigungsprozesse, technologische Innovationen etc. investiert, ist strukturell nicht mehr von diesem unternehmerischen Selbst zu unterscheiden.

Es ist an der Zeit, die Umkehrung der Beziehung von Ökonomie und Individuum ernst zu nehmen. Konnte es der französische Philosoph Gilles Deleuze in den 1990er Jahren noch für die »größte Schreckens-Meldung« halten, dass nun auch Unternehmen eine Seele bekommen sollten, so sind wir längst einen wichtigen Schritt weitergekommen und haben die Seelen zu Unternehmen gemacht. Insofern schlägt auch das Buch The Corporation, mit dem der kanadische Jurist Joel Bakan vor einigen Jahren Aufsehen erregte, noch die falsche Richtung ein, als er mit Kriterien menschlichen Verhaltens am Handeln der Konzerne Kritik zu üben versuchte. Seiner Analyse lag die Beobachtung zugrunde, dass Konzerne als juristische Personen oftmals ähnliche Rechte geltend machen können wie natürliche Personen. Doch sollten Konzerne tatsächlich wie Individuen behandelt werden, und was ließe sich in diesem Fall über sie sagen? Bakan kam zu dem Ergebnis, dass Individuen, die ihre Verhaltensmuster an denen von Konzernen ausrichten würden, am besten in klinischen Kategorien erfassbar wären. Wäre umgekehrt also ein Konzern tatsächlich eine natürliche Person, so müsste man ihn als Psychopathen bezeichnen, der seine Ziele rücksichtslos verfolgt und für den die Bedürfnisse und Interessen anderer keinerlei Bedeutung haben. Doch verkannte Bakan damit, dass es längst zu einer Umkehrung der Kriterien gekommen ist: pathologisiert werden in unserer Gesellschaft vor allem diejenigen, die nicht wie Konzerne handeln. [...]



 
John T. Hamilton
Kinder der Sorge
Ein Mythos ĂĽber die Sicherheit
 
Achim Vesper
Zuviel des Guten
Sicherheit als Aufgabe des Staates nach Hobbes
 
Dirk Setton
It’s out there…
Pathologie der Sicherheit und Poetik der Überempfindlichkeit in Todd Haynes’ Safe
 
Berthold Vogel
Soziale Sicherheit
Ein unstillbares BedĂĽrfnis
 
Peter Siller/Judith Karcher/Stefan Huster/Arnd Pollmann
Ist es links?: >Grundeinkommen<
 
Ulrich Bröckling
Aktivistischer Negativismus
Sicherheit und Gesundheit im Zeichen des Precautionary Principle
 
Interview Christiane Rösinger
»Love is dead«



STRESS

 
Christian Neuhäuser
Der Turm
Taiwan, der 101 Tower und China – ein nicht ganz risikofreies Beziehungsgeflecht
 
Charlotte Misselwitz
Israelische Sicherheiten
Wann werden Sicherheitssysteme autoaggressiv?
 
Thomas Biebricher
Revolte und Einmischung
Ein Erfahrungsbericht aus Bengasi
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Permanenter Stress<
 
Christopher Daase
Sicherheit schlägt Frieden
Zum normativen Wandel in der Weltpolitik
 
Kendra Briken
Nachbar, Nonprofit, Niedriglohn
Neue politische Ă–konomien der inneren Sicherheit
 
Mark Neocleous
Der Sicherheitsfetisch
Zur Produktion von Sicherheitswaren
 
Alexandra Rau
Ă„ngstlich bin ich sowieso
Furcht und Beistand in der postfordistischen Arbeitswelt
 
Marcus Balzereit
Kein Grund zur Panik?
Wie mit dem Wissen ĂĽber die Angst regiert wird
 
Interview Tim Kaiser/Ole Barnick
»Unter dem Sattelschlepper nützt der Helm wenig«
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Befestigtes Lager<
 
Alban Lefranc
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Pierre Bergounioux – William Faulkner – Stendhal
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: >Musik<
BFBS – Nero – James Blake – Battles – Jan Delay
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Schlafkrankheit – Ohne Limit – Der Plan



SPIRALE

 
Alice Lagaay
Nichts als das Geheimnis ist sicher!
Die TagebĂĽcher von Wikileaks
 
Interview Ilija Trojanow
»Eine Spirale der Aufrüstung«
 
Dietmar Kammerer
Menschen vor Bildschirmen
Was bekommen wir zu sehen, wenn wir das Bild des toten Terroristen nicht sehen dĂĽrfen?
 
Konstantin von Notz/Nils Leopold
Datenschutz muss sich ändern
Eine Aufforderung an den Gesetzgeber
 
Maja Bächler
Körper der Lügen
Wie Hollywood den permanenten Ausnahmezustand inszeniert
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Schutzschild<



SCHÖNHEITEN

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