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Sicherheit ist der zentrale politische Wert unserer Zeit. Das war nicht immer so. In der internationalen Politik teilten sich lange die Begriffe »Frieden« und »Sicherheit « diesen Platz und konkurrierten um den Vorrang in Strategiedebatten und Parteiprogrammen. Heute hat der Sicherheitsbegriff den Begriff des Friedens im politischen Diskurs weitgehend verdrängt. Dieser Sprachwandel deutet auf einen grundlegenden Wertewandel in der Weltpolitik hin. Wie es dazu kam und welche politischen und institutionellen Konsequenzen dies für die internationale Gesellschaft hat, ist Gegenstand der folgenden Überlegungen.
Die Spannung zwischen Frieden und Sicherheit
Frieden und Sicherheit, so heißt es in der Charta der Vereinten Nationen, gehören zu den höchsten Gütern der internationalen Gemeinschaft. Sie zu befördern und den Krieg, diese »Geißel der Menschheit«, zu überwinden, sei Aufgabe der Weltorganisation und jedes einzelnen Staates. Frieden und Sicherheit werden häufig in einem Atemzug genannt und nicht selten synonym verwendet. Doch spätestens seit der Unterzeichnung der Völkerbundsatzung 1919 stehen diese Begriffe in einem spannungsvollen Wechselverhältnis.
Zu Beginn des 20. Jahrhundets und bis weit in die 1970er Jahre galt »Frieden« als zentraler politischer Wertbegriff und bezeichnete in einem engen Verständnis die Abwesenheit von Krieg und personaler Gewalt, in einem weiteren Verständnis aber auch die Abwesenheit von Unterdrückung und Not und allem, was die potenziell mögliche Entfaltung menschlicher Fähigkeiten einschränkt. Dieses weite Verständnis schöpft aus der reichen philosophischen und theologischen Tradition des Friedensbegriffs, die seit der Spätantike nicht nur den irdischen Frieden des politischen Diesseits, sondern auch den geistlichen Frieden des Gottesreiches thematisiert. In den politischen Traktaten des Mittelalters und der Renaissance sowie in den politischen Theorien und Friedensplänen der Aufklärung wird Frieden als reale Utopie gefasst und zum Fluchtpunkt des politischen Fortschrittsglaubens. In dieser Form, als begrifflich nicht fassbarer und politisch nur annäherungsweise zu erreichender Zustand, fungiert der Frieden als regulative Idee in den Gründungsdokumenten internationaler Organisationen und des internationalen Rechts.
Demgegenüber war der Sicherheitsbegriff eher auf die nationalen Existenzbedürfnisse einzelner Staaten und die Stabilität des Status quo bezogen. Zwar hat der Sicherheitsbegriff keine dem Friedensbegriff vergleichbare theologische und philosophische Fundierung erhalten, doch entwickelte er sich zu einem Kernkonzept des europäischen Staatensystems und des Völkerrechts. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts unterschied man zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Nicht nur Thomas Hobbes sondern auch John Locke rechtfertigten den Staat über die zentrale Funktion der Sicherheitsgewährleistung. Dabei deutete sich bereits die doppelte Aufgabe staatlicher Sicherheitspolitik an, die in den Worten von Wilhelm von Humboldt darin besteht, Sicherheit einerseits für »alle Bürger in völliger Gleichheit« und andererseits für den »Staat selbst« zu gewährleisten. Das staatszentrierte Sicherheitsverständnis setzte sich im 19. Jahrhundert durch und fand als Recht auf nationale Selbstbestimmung und territoriale Unverletzlichkeit des Staates Eingang ins Völkerrecht und die Statuten internationaler Organisationen. [...]
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