polar #11: Sicherheit
EDITORIAL
SORGE
Herfried MĂĽnkler Sicherheit und Freiheit Eine falsche GegenĂĽberstellung
| Thomas Biebricher/Frieder Vogelmann Die Ich-GmbH Alternativen zum stahlharten Gehäuse der Verantwortung
| John T. Hamilton Kinder der Sorge Ein Mythos ĂĽber die Sicherheit
| Achim Vesper Zuviel des Guten Sicherheit als Aufgabe des Staates nach Hobbes
| Dirk Setton It’s out there… Pathologie der Sicherheit und Poetik der Überempfindlichkeit in Todd Haynes’ Safe
| Berthold Vogel Soziale Sicherheit Ein unstillbares BedĂĽrfnis
| Peter Siller/Judith Karcher/Stefan Huster/Arnd Pollmann Ist es links?: >Grundeinkommen<
| Ulrich Bröckling Aktivistischer Negativismus Sicherheit und Gesundheit im Zeichen des Precautionary Principle
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Interview Christiane Rösinger»Love is dead« | Die Sängerin, Songwriterin und Autorin Christiane Rösinger wurde mit den Lassie Singers berühmt und war Frontfrau der Band Britta. Gerade hat sie ihr erstes Solo-Album Songs of Love and H. veröffentlicht. Ihr neues Buch Liebe wird oft überbewertet geht der Frage nach, warum es glücklichen Singles in der paarorientierten Gesellschaft doppelt schwer gemacht wird. Im polar-Gespräch mit Julia Roth erörtert die Kuratorin der legendären Kreuzberger »Flittchenbar«- Gala-Abende das fatale Wechselspiel zwischen einem neu entflammenden Bedürfnis nach Sicherheit und der Vergötzung der Liebe.
polar: Das großartige Stück »Die Pärchenlüge« Deiner früheren Band Lassie Singers ist eine Kampfansage an das Diktat der Sicherheit und kuschelige Zweierbeziehungen. Beim Record-Release-Konzert Deiner neuen Soloplatte Songs of Love and H. neulich in Berlin hast Du es als das einzige Lied bezeichnet, hinter dem Du immer noch vorbehaltlos stehst.
Christiane Rösinger: Gleichzeitig war es auch eine Marketingmaßnahme für mein Buch Liebe wird oft überbewertet (lacht). Das Lied hatten wir vorher fünfzehn Jahre lang nicht gespielt, und als wir es jetzt wieder ins Programm aufgenommen haben, fand ich es in seiner Radikalität ganz gut. Wenn man sagt: »Pärchen stinken und lügen«. Es hat mir gefallen, dass ich früher schon den Mut hatte, diese unbequeme Wahrheit auszusprechen.
polar: Hat sich am Sicherheitsbedürfnis, das hinter dieser ›Pärchenpflicht‹, wie Du sie nennst, steht, Deiner Meinung nach etwas geändert?
Rösinger: Es ist manchmal erschreckend, dass junge Leute so arg spießig geworden sind. Es ist schon seltsam, dass bestimmte Familienwerte wieder so hoch im Kurs stehen, selbst wenn’s gar keinen Spaß macht. Wenn die Leute glücklich sind, könnte man ja sagen: okay. Aber ich kriege es manchmal mit, dass Paare, die sich wirklich gar nicht verstehen, um der Kinder willen noch zusammen bleiben oder sich noch ein zweites Kind zumuten. In den Achtzigern hatte man sich erkämpft, dass es als nicht schlimm gilt, ein Kind alleine großzuziehen. Es ist inzwischen Gang und Gäbe, dass man das hinkriegt, dass das Kind drei Tage beim Vater, drei Tage bei der Mutter ist, auch wenn man einen persönlichen Groll hat. Eigentlich verstehen sich Mütter und Väter ja besser, wenn sie nicht mehr zusammen sind. Das wird jetzt so in Frage gestellt. Dass dieses Familienideal so hochgehoben wird, versteh ich nicht so ganz.
polar: Woran liegt das Deiner Meinung nach?
Rösinger: Manche sagen ja, es sei die Generation der Scheidungskinder, die so traumatisiert wären, die jetzt erst recht die Familie zusammenhalten wollen. Es ist auch ein mangelndes Zutrauen in sich selber. Ein Leben in Freiheit erfordert einen gewissen Mut. Wenn ich manchmal Gespräche von 28jährigen mitverfolge, die ein dreiviertel Jahr darüber nachdenken, ob sie eine Katze halten sollen oder nicht – da werden so kleine Sachen total aufgeblasen. Ich denke immer, dass es doch ein Privileg von so jungen Leuten ist, zu sagen ›das mach ich jetzt einfach mal‹. Das ist glaub ich weniger geworden. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass denen schon eingetrichtert wurde ›ihr werdet keinen Job finden, nichts ist für ewig, ihr müsst für euch selber sorgen‹. Andererseits wurde mir das auch immer eingetrichtert und ich habe auch nicht drauf gehört. Es muss gesellschaftliche Hintergründe haben, sonst würde sich ja nicht eine ganze Generation so verhalten. [...]
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