Christian NeuhäuserDer TurmTaiwan, der 101 Tower und China – ein nicht ganz risikofreies Beziehungsgeflecht |
Im Jahre 2004 wurde in Taipei der architektonisch ebenso eigenwillige wie eindrucksvolle 101 (one-o-one) Tower eröffnet. Mit einer Höhe von 508 Metern war er damals und immerhin für sechs weitere Jahre das höchste Gebäude der Welt, bis er im Jahre 2010 vom Burj Khalifa in Dubai mit einer stolzen und auf längere Sicht wohl kaum zu toppenden Höhe von 828 Metern übertrumpft wurde. Obwohl nur für kurze Zeit das höchste Gebäude der Welt, unterscheidet sich der 101 Tower doch ganz wesentlich von vergleichbaren in die Höhe ragenden Türmen, sei es in Manhattan, Hongkong, Singapur oder Dubai. Der Turm ist in Taipei ein schier singuläres Ereignis. Das hat einen einfachen Grund: Sicherheit.
Der 101 Tower steht ganz einsam da, jedenfalls nicht wie sonst als Teil einer beeindruckenden Skyline mit einer Vielzahl von mehr oder weniger hohen Hochhäusern. Die durchschnittliche Stockwerkzahl in Taipei liegt nämlich nur bei 5–10 Stockwerken und selbst die ansonsten höchsten Hochhäuser kommen auf maximal 20–25 Etagen. Da ragt der 101 Tower mit seinen eben 101 Stockwerken geradezu majestätisch aus dem sonst eher flachen Stadtbild heraus.
Es hat freilich einen guten Grund, dass in Taipei nicht so hoch gebaut wird. Zwar herrscht auch in diesem Großstadtmoloch mit seinen inzwischen mehr als 7 Millionen Einwohnern Platzmangel. Taipei ist jedoch wie ganz Taiwan ein Erdbebengebiet. Fast jedes Jahr gibt es mindestens ein Erdbeben der Stärke 6 und höher. Kein Wunder also, dass bei der Konstruktion von Gebäuden und insbesondere Hochhäusern normalerweise keine unnötigen Risiken eingegangen werden. Doch warum musste dann trotzdem das höchste Gebäude der Welt her? Warum errichtete man mitten im Erdbebengebiet Taipei solch einen massiven Turm mit 101 Stockwerken?
Es ist sicher kein natürlicher Hang zum Risiko, der die Taiwanesen dazu bewegt hat, den 101 Tower zu bauen. Zwar geht es im Straßenverkehr manchmal etwas ruppig zu. Gerade jene allgegenwärtigen und etwas wahnsinnig wirkenden Schwärme von gut und gerne 50 Skootern überholen die Straße kreuzende Fußgänger gleichzeitig von allen Seiten. Das geschieht allerdings nur im Schritttempo und irgendwie fast liebevoll. Ohnehin sind Taiwanesen sehr auf die Sicherheit ihrer Mitmenschen bedacht. So wie in Hongkong oder Singapur auch wagen sich die Chinesen in Taiwan schon bei der kleinsten Erkältung nur noch mit chirurgischer Maske auf die Straße, um ihre Mitmenschen vor Ansteckung zu schützen. [...]
|
|
Charlotte Misselwitz Israelische Sicherheiten Wann werden Sicherheitssysteme autoaggressiv?
|
Thomas Biebricher Revolte und Einmischung Ein Erfahrungsbericht aus Bengasi
|
Ina Kerner Leben im Kapitalismus: >Permanenter Stress<
|
Christopher Daase Sicherheit schlägt Frieden Zum normativen Wandel in der Weltpolitik
|
Kendra Briken Nachbar, Nonprofit, Niedriglohn Neue politische Ă–konomien der inneren Sicherheit
|
Mark Neocleous Der Sicherheitsfetisch Zur Produktion von Sicherheitswaren
|
Alexandra Rau Ă„ngstlich bin ich sowieso Furcht und Beistand in der postfordistischen Arbeitswelt
|
Marcus Balzereit Kein Grund zur Panik? Wie mit dem Wissen ĂĽber die Angst regiert wird
|
Interview Tim Kaiser/Ole Barnick »Unter dem Sattelschlepper nützt der Helm wenig«
|
Susann Neuenfeldt/Simon Strick Hallo Karthago/Hallo Rom: >Befestigtes Lager<
|
Alban Lefranc Mein halbes Jahr: >Literatur< Pierre Bergounioux – William Faulkner – Stendhal
|
Christoph Raiser Mein halbes Jahr: >Musik< BFBS – Nero – James Blake – Battles – Jan Delay
|
Matthias Dell Mein halbes Jahr: >Film< Schlafkrankheit – Ohne Limit – Der Plan
|