





polar #4: Über Arbeiten
Editorial
ANSCHLUSS
HIRN
SPIEL
SCHÖNHEITEN
Peter Siller Wie der Wind Die seltsam-schöne Welt des Hayao Miyazaki
| Steffen Stadthaus Großes, weißes Taxi Der Londoner Arbeitsalltag, täglich neu
| Michael Eggers Komm mit Piggeldy und Frederick über Faulheit
| Sebastian Groth Swinging Addis Francis Falcetos »The very best of Éthiopiques«
| Jan Engelmann Mehr als das Javier Bardem und Bill Murray als Müßiggangster
| Anja Höfer Schon o.k. Britta besingen »Das schöne Leben«
| Bertram Keller Ritt durch die Hohlwelle Philippe van Parijs’ »Real Freedom For All«
| Matthias Dell Jenseits von Eden Die Business Class als Ort der Vermittlung
| Matthias Rothe Gewinn der Ewigkeit Seneca über die Rückeroberung der Zeit
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Arnd PollmannHeld der ArbeitDer Schalker Innenverteidiger Marcelo Bordon | Die Stars der Sportschau sind die Stürmer. Aber die wahren Helden eines für die Spannung des Fußballs konstitutiven Scheiterns - des wiederholten Scheiterns dieser Stürmer nämlich - sind die Verteidiger. Je besser die spielen, umso unsichtbarer sind sie für das Fernsehpublikum, aber das Spiel bleibt bis auf weiteres offen. Um jedoch Zeuge zu sein, muss man ins Stadion gehen. Und wenn man Glück hat, dann sieht man ein regelrechtes Abwehrwunder: den Schalker Marcelo Bordon. Ein Held, den es eigentlich gar nicht mehr geben darf: Koloss, Gladiator, Gotteskrieger, General in einem. Und vor allem dies: ein perfekter Ausputzer. Bälle, Gegner, Angriffe - sie alle prallen an ihm ab wie Flummis. Last man standing. Kraft, Konzentration, Eleganz, ja, Schönheit, wie man sie auf dem Rasen selten sieht. Ein Held des Spiels, ein Held der Arbeit. Unzeitgemäß? Der Ökonom Joseph Schumpeter hat früh darauf hingewiesen, dass die moderne, kapitalistische Kultur im Kern pazifistisch, aber eben auch »anti-heroisch« sei: kein Schwingen von Schwertern mehr, jede Heldenkraft »verdorrt verständlicherweise im Bureau zwischen all den Zahlenreihen«. So wird das Stadion, das heute zumeist wieder »Arena« heißt, zu einem der letzten Refugien eines präkapitalistischen Heldentums. Ja, natürlich, auch diese Spieler - selbst die überirdischen - sind dem Markt unterworfen; verdienen unheimlich viel Geld usw. Aber wer ihnen das vorwerfen will, hat nicht verstanden, warum es sie geben muss und warum so viele Menschen ins Stadion strömen: In einem Geschehen, dessen Ende so gewiss wie dessen Ausgang ungewiss ist, verkörpert der Fußballheld die stets eigene, die doppelte, aber schwindende Möglichkeit: grandiosen Scheiterns einerseits, heldenhaften Siegens anderseits. Im wahren Leben - von der Arbeitswelt ganz zu schweigen - gibt es das so nicht mehr. Früher nannte man den Innenverteidiger »Libero«: den freien Mann. Selten wurde die heroische Ambivalenz dieser Freiheit anmutiger verkörpert. Vergesst endlich Beckenbauer. Die Schalker haben Bordon. |

| Ralph Obermauer Roundtable
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