Dong (Jia Zhang-ke) - Die Sopranos, Staffel sechs, Teil 2 STILL LIFE (SANXIA HAOREN) heißt der Film, für den Jia Zhang-ke auf den Filmfestspielen von Venedig 2006 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Zunächst war der derzeit wohl wichtigste chinesische Regisseur nicht mit einem Wettbewerbsbeitrag vertreten gewesen, sondern nur in der Nebensektion Orrizonte - dort lief ein parallel entstandener Dokumentarfilm. Auch weil der nachnominierte STILL LIFE den Hauptpreis gewann, fand die früher eingeladene Arbeit wenig Beachtung. DONG ist der Titel dieses relativ unsichtbaren und doch vollkommen eigenständigen Films, der im Netz für etwa zwölf Euro auf DVD erhältlich ist (www.yesasia.com).
Vordergründig porträtiert DONG einen der neuen chinesischen Stars der internationalen Kunstszene. Der Maler Liu Xiadong wird dem Umfeld des »zynischen Realismus« zugerechnet, einer Kunstströmung, die nach Maos Tod Kontakt mit der post-kulturrevolutionären Gegenwart aufnahm und deren jüngste Vertreter sich heute am gewaltigen Transformationsprozess Chinas abarbeiten. DONG beobachtet den Maler bei der Herstellung eines Bildes am Drei-Schluchten-Damm. Das fertige Gemälde zeigt Arbeiter, die vor Ort mit der Deinstallation ganzer Städte beschäftigt sind, in einer aufwändig choreographierten Ruhepause.
Daraus entwickelt sich nicht nur ein Dialog zwischen Film und Bildender Kunst über die Abbildbarkeit von Umbruchsituationen. Auch eine generelle Spezifik der Poetik von Jia Zhang-ke tritt, vielleicht deutlicher als in seinen Spielfilmen, hervor. Immer wieder wendet sich die Kamera von den primären Gegenständen ihres dokumentarischen Interesses ab und folgt in fluiden, quasi-autonomen Bewegungen scheinbar ungerichtet anderen Menschen und Dingen. Siegfried Kracauer hat diese Fähigkeit des Films, unvermittelt das Sujet zugunsten beliebiger Elemente der vorgefundenen Welt zurückzustellen, »Exkurs in die Kamera-Realität« genannt. Wenn DONG den Maler schließlich bei der Entstehung der »Hot-Bed«-Serie in Bangkok buchstäblich aus den Augen verliert, um einem seiner Modelle zu folgen, das dann gleichfalls für etwas Neues aus dem Bildkader entlassen wird, scheint hinter der ästhetischen Option zum Exkurs, zur inszenierten Intentionslosigkeit, die Haltung eines besonderen Filmemachers durch.
Am 10. Juni 2007 lief die sechsundachtzigste und letzte Folge der US-Serie THE SOPRANOS auf HBO, seit Ende November liegen die abschließenden 9 Episoden auf DVD vor. 1999 war die erste Staffel im amerikanischen Pay-TV gestartet und hatte von dort aus einen Siegeszug rund um die Welt angetreten - eine Welle, die im deutschen Fernsehen (erst ZDF, dann Kabel Eins) nie wirklich ankam. Im grandiosen Finale wird die Mobster-Saga von einer destruktiven Energie angetrieben, die sich schließlich gegen die eigenen - appropriierten wie neu erschaffenen - Mythenbildungen wendet. Statt die mal ausufernden, mal retardierenden Erzählbewegungen in einer opernhaft überhöhten Vendetta kulminieren zu lassen, macht die Serie abschließend eher das individuelle Scheitern der Figuren transparent. Immer wieder in diesen letzten Folgen wird die stabile semiotische Umgebung des Genres unvermittelt außer Kraft gesetzt. Paulie »Walnuts« Gualtieri (Tony Sirico) erscheint dann nur noch als ein alter Mann mit leerem Blick und albernen Tattoos auf erschlaffter Haut. Gnadenlos am Gestus dieser Inszenierung ist, dass sich die Arbeit am eigenen Mythos hier nicht in äußerlicher Dekonstruktion erschöpft. Es geht nicht darum, die Mafia-Zeichen zu skelettieren, sondern die Figuren momenthaft einer kalten (Selbst-)Wahrnehmung auszusetzen, die auch die in knapp neunzig Stunden aufgebauten Identifikationsroutinen des Zuschauers noch einmal grundlegend verstört.
Weil die Sopranos eine amerikanische Familie sind, endet die Serie in einem Diner, obwohl sonst immer nur in besseren italienischen Restaurants gespeist wurde. Ein Spiel mit den Konventionen dramatischer Finalisierung, dann die in den Soundtrack delegierten letzten Worte (»Don't Stop«), ein unglaublich harter Schnitt, gefolgt von einer pathosgeladenen Schwarzblende. Va fa napole, Tony! (www.hbo.com/sopranos/mobspeak).
DONG (Jia Zhang-ke) Hongkong/China 2006 (erschienen im April 2007 bei Ying E Chi, Hongkong Version, Mandarin mit englischen Untertiteln).
DIE SOPRANOS - STAFFEL SECHS, TEIL 2 (Warner Homevideo, 4 DVDs, Sprachen: Deutsch, Englisch).