Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #4: Über Arbeiten



Editorial

 
Peter Siller, Bertram Keller
Editorial



ANSCHLUSS

 
Ralf Obermauer
Die Hölle, das ist ohne die Anderen
Tätigkeit und sozialer Sinn in politischen Diskursen
 
Axel Honneth
Arbeit und Anerkennung
Versuch einer Neubestimmung
 
Anton Leist
Ausstieg oder Ausbildung
Ein Vorschlag zur Arbeitsgesellschaft jenseits von Marx und Gorz
 
Birger P. Priddat
Wert, Kompetenz, Kommunikation, Spiel
Elemente einer modernen Theorie der Arbeit
 
Chrisitan Neuhäuser
Was machen Sie eigentlich so?
Arbeit, Arbeitslosigkeit und WĂĽrde
 
Neue Deutsche Sprachkritik
>Was bin ich?<
Der wahre Text
 
Nina Apin
Tren Blanco – Der Weiße Zug
Die MĂĽllsammler von Buenos Aires
 
»Menschen mit schmutzigen Händen«
Interview mit Ali Witwit
 
Christophe Dejours
Suizid am Arbeitsplatz
Zur Psychopathologie der modernen Arbeitswelt
 
Aram Lintzel
Sinncontainer
>Debatte<
 
»Die neue Verwundbarkeit«
Interview mit Robert Castel
 
 

Ina Kerner

Leben im Kapitalismus

>Paradise lost<


... schrieb T. in der ersten seiner wehmütigen Mails aus Wien. Er hatte Berlin verlassen und war in die Stadt seiner Kindheit zurückgekehrt. Mehr noch als Berlin hatte er jedoch den Lesesaal verlassen. Den Lesesaal der Stabi, genauer gesagt der Stabi West, dem Haus I der Staatsbibliothek zu Berlin am Potsdamer Platz. Und die Stabi ist tatsächlich ein paradiesisches Großraumbüro. Viel Licht, tropische Pflanzen, große Architektur. Refugium der Privatgelehrten. Oase des wissenschaftlichen Nachwuchses. War man ein paar Jahre regelmäßig da, wird man an der Einlasskontrolle manchmal mit Namen begrüßt. Die Garderobenfrau macht Komplimente. Und der nette Herr von Platz 45 strahlt, wenn man kommt. Fragt flüsternd, wie es denn B. gehe, seiner Sitznachbarin? Sie sei so lange nicht mehr dagewesen. Ob sie ihr Manuskript jetzt beim Verlag habe? Normalerweise aber herrscht im Lesesaal Stille. Hunderte brüten über Vorträgen, Diplomarbeiten oder Buch-Exposés. Modische Juristinnen lernen fürs Staatsexamen. Und wer eine Pause braucht, geht in die Cafeteria.

Die Stabi-Cafeteria ist ein eigentümlicher Ort. Das Essen ist schlecht. Tische und Stühle sehen aus wie im Caféhaus. »Man sollte ein Langzeitprojekt machen, bei dem Mikrophone über den Tischen hängen und Gespräche aufnehmen. Jahrzehnte später könnte man sich dann Zufallsaufnahmen aus mehreren Dekaden anhören. Meint Ihr, dafür gäbe es Gelder aus Kunstfördertöpfen?« fragte W. letztens bei Kaffee und Donut. W. ist Nutzer seit den frühen 80er Jahren und weiß aus teilnehmender Beobachtung, dass sich die Konversation in der Cafete im Laufe der Zeit schleichend entpolitisiert hat. Für einen Zeitgeist-Seismographen hält er sie trotzdem, oder vielleicht grade deshalb. Und tatsächlich: Wer sich für die Bedingungen des akademischen Alltags interessiert, muss hier bloß ein paar Stunden sitzen und lauschen.

»Sagt mal, unterrichtet Ihr eigentlich jedes Semester?« wollte zum Beispiel F. letztens wissen. F. ist Soziologin, promoviert auf Stipendium und hat, wie viele in der Stabi, geregelte Arbeitstage: Jeden Mittag um eins zieht ihre Lunch-Gruppe in eine Kantine am Potsdamer Platz, jeden Nachmittag um vier trifft F. dieselbe Clique zum Kaffee. Außer dienstags, wenn sie unterrichtet. Manchmal mit unbesoldetem, manchmal mit besoldetem Lehrauftrag. Etwa 900 Euro bekommt sie dann im Semester, 60 pro Sitzung. Das ist zwar Berliner Höchstsatz, aber alle Vorbereitungen, die Betreuung der Hausarbeiten und die Korrekturen eingerechnet trotzdem unter jedem gewerkschaftlichen Mindestlohnvorschlag. »Jedes zweite«, meinte A., der Professor werden will und die Lehrerfahrung braucht. Dr. N. warf ein, sie habe damals auf ihrer halben Promotionsstelle auch kaum mehr verdient als die Stipendiatinnen, dafür aber viel mehr arbeiten müssen. Und ob die anderen schon von der jüngsten Runde im universitären Lohndumping gehört haben, den halben Lecturer-Stellen? Für plus minus 1.000 Euro netto im Monat vier Kurse, d.h. eine professorale Lehrverpflichtung? »Stimmt, K. macht das grade«, wusste F. K. ist Anfang vierzig, habilitiert, ernährt Mann und zwei Kinder und hofft, dass es langfristig auf W3 hinauslaufen wird, auf die höchste Gehaltsstufe für Professor/innen, anstatt auf Hartz 4. Der Grad ist schmal. Zur Zeit hangelt sie sich und ihre Familie mit zwei halben Stellen durchs Leben, und sie pendelt, denn der Hochdeputatsjob ist in Westdeutschland.

»Eigentlich müsste man solche Arrangements bestreiken «, sagte A. »Aber das traut sich leider kaum jemand. Und man muss es sich ja überhaupt erstmal leisten können.« Er griff zum letzten Stück Schokolade; die Kaffeerunde löste sich auf.




HIRN

 
Judith Revel und Antonio Negri
Die Erfindung des Gemeinsamen
Acht Thesen zur Transformation der Arbeitswelt
 
Don Tapscott
Unternehmen 2.0
Die neue Ă–konomie gemeinschaftlicher Zusammenarbeit
 
»In der Wissensökonomie könnte Geld unnötig werden«
Interview mit André Gorz
 
Johannes Albers
»Polke, du faule Sau«
Faule Künstler im Zeitalter von Rekordumsätzen über die dann in der Gala berichtet wird
 
Kendra Briken
Hirn und Muskeln
Arbeit in der Wissensgesellschaft
 
Tim Caspar Boehme
Macht sauber, was euch kaputt macht
Kunstpraxis als gesellschaftliches Dialogfeld
 
»Arbeit im Reich der Freiheit?«
Streitgespräch mit Katrin Göring-Eckardt und Katja Kipping
 
Adrienne Goehler
Nicht mehr und noch nicht
Die Hauptstadt als Laboratorium einer Kulturgesellschaft
 
»Festanstellung ist der Tod«
Holm Friebe, Adrienne Goehler, Christiane Schnell und Melissa Logan im Gespräch
 
Alexandra Manske
Kreative Superstars
Die soziale Platzierungsstrategie der »Digitalen Bohème«
 
Arnd Pollmann / Anja Wollenberg / Stefan Huster / Peter Siller
Ist es links?
>Selbstbestimmung<
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr
>Musik<
 
Simon Rothöhler
Mein halbes Jahr
>Film<
 
Peter Siller
Mein halbes Jahr
>Literatur<



SPIEL

 
Michael Eggers
Lustspiele und Frustspiele
Die Welt der Manager und Praktikanten als offenes Drama
 
»L-L-Löwenbändiger!!!«
Interview mit der Berufsberaterin Uta Glaubitz
 
Klaus Dörre
Ausweitung der Prekaritätszone
Vom Ende der Arbeitsgesellschaft, wie wir sie kannten
 
Dominik Walther
Schuften im Weltall
Filmische Zukunftsszenarien jenseits von Grundeinkommen und Vollbeschäftigung
 
Judith Siegmund
Berufung – Job – Maloche
Kunst mit Arendt zum Ende der Arbeit
 
Martin Saar
Bildpolitik
>Arbeitsschutz<



SCHÖNHEITEN

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