Ästhetik ist ein nachgeordnetes Phänomen. Sie kann nur den Raum besetzen, in dem der Knüppel aus dem Sack des Politischen nicht tobt. Sitzt beispielsweise in einem Flugzeug, sagen wir, ein 24-jähriger amerikanischer Soldat im Irak unserer Tage auf dem Weg in den Heimaturlaub, und wird in diesem Flugzeug der Bordservice von amerikanischen Stewardessen betrieben, dann kann der junge GI auf Unterstützung setzen. Außerhalb der servierten Mahlzeiten kostet eine kleine Flasche Scotch fünf Dollar. Zieht der Soldat die so genannte Irak-Karte, kann er sich sicher sein, dass die Regeln des Geschäfts ausgesetzt werden zu seinen Gunsten. »I support our troops«, sagt die Stewardess und gibt in einem Anfall patriotismusseliger Selbstrührung den Schnaps »for free« raus. Das Schauspiel wiederholt sich, wann immer die Stewardess ihren Wagen am Platz des Soldaten vorbeiwuchtet. Sitzt in einem Flugzeug, sagen wir, nun ein Mensch im Schatten gealterter Männerräudigkeit namens Rolf Eden in Begleitung des wesentlich jüngeren so genannten Rolf-Eden-Hasen, und hat Rolf Eden
- der sein Leben nichts anderem gewidmet hat als dem Zweck seiner Selbstdarstellung, ein aufs Lehrbuchhafteste zweckloser Zweck, und das nicht nur, weil die Bezeichnung Playboy in den Westberliner Maßstäben, die Rolf Eden für sich einzig geltend machen kann, auf die kleinste Größe zurechtgestutzt wird -, und hat also Rolf Eden, an dem jeder Zeitungsbericht seine Großzügigkeit lobt, aus unerfindlichen Gründen nur Holzklasse gebucht, dann wird selbst ein Bordservice in der Hand von aufs Schöne geradezu qua Natur fixierten französischen Stewardessen ihn allein mit Ignoranz strafen. Wann immer ein Wagen an ihm und dem so genannten Hasen vorbeigewuchtet wird, gibt es nicht als Wasser und lausige Snacks. Daraus ist zu lernen, dass der Raum, der dem Schönen am Beginn des 21. Jahrhunderts zugestanden wird, die beinenge Economy Class ist. Jede Änderung der dauernden hierarchischen Verhältnisse zwischen Politik und Ästhetik muss folglich ansetzen bei der Forderung: Upgrade für Rolf Eden!
Seneca: De brevitate vitae/ Über die Kürze des Lebens. dtv 2005 (12. Auflage), 6 Euro