Der Umriss eines abgeblätterten Tapetenstücks formt Santas Fernziel, Australien. Der ehemalige Werftarbeiter (Javier Bardem) lebt in der nordspanischen Hafenstadt Vigo, im ständigen Beef mit den Behörden. Sowohl die wöchentliche Meldepflicht beim Arbeitsamt als auch die Schadensersatzklage wegen einer Straßenlaterne, die beim Protest gegen die Massenentlassungen zu Bruch ging, nimmt er eher sportlich. Seinen Alltag gestaltet Santa, der Picaro mit Plauze, kunstvoll und kostenlos. Er genießt die Tändeleien mit Supermarkt-Bekanntschaften, das sichtbehinderte Fußballgucken auf dem Baugerüst am Stadion oder das geheime Job-Sharing mit der jungen Babysitterin, die ihm die Häuser ihrer Auftraggeber zur freien Verfügung überlässt. Dort versammelt Santa dann seine Kumpels Lino, Amador und Sergei, man redet über geplatzte Träume und verpasste Chancen. Das Wunder der Milieustudie »Los lunes al sol« besteht darin, dass es den Zeitreichtum und den Selbstbehauptungswillen von gebeutelten Existenzen zeigt, ohne dabei in einen plumpen Sozialkitsch abzudriften. Sehr präzise werden hier die Minusgeschäfte der employability offengelegt. Dem Druck der individualisierten Marktzurichtung entzieht sich Santa würdevoll, durch die Feier des Sozialen. Wenn er, umarmt von seinen Freunden »Volare« in einer Karaoke-Bar intoniert, glaubt man, so etwas wie Glück aus seinen Augen zu lesen. Ähnliche Empfindugen kann uns Bob (Bill Murray) beim pflichtschuldigen Absingen von Roxy Musics More Than This allenfalls vorspielen. Die lukrative Whiskey-Werbekampagne, die den abgehalfterten Filmstar nach Tokio gelockt hat, erfordert außer einem eingeübten Hundeblick: nichts. Bob weiß um die Absurdität dieses hochbezahlten Herumlungerns, bleibt aber gefangen in seinem postfordistischen Luxusgefängnis. Lost In Translation ist wie Los lunes al sol ein Gratifikationsdrama, das Lohn und Wert als letztlich inkongruente Kategorien vorschlägt. Doch während Bob aus seinem Hotelzimmer immer nur die Enge des Tokioter Häusermeers erblickt, schöpft Santa aus der Weite des Atlantiks ein Prinzip Hoffnung.
Los lunes al Sol / Montags in der Sonne, Regie: Fernando León de Aranoa, 117 min., 2003; Lost In Translation, Regie: Sofia Coppola, 94 min., 2003 (Beide Filme starteten damals in Deutschland am gleichen Tag)