Eine hart schuftende, unbürgerliche Bloggerarmee hat sich in den letzten Jahren im Netz formiert und teilt mit ihrem Lesepublikum - Tag ein, Tag aus - Sensation und Frustration ihres Berufsalltags. Der Erfindung des Blogs sei Dank, dass die fantastisch exzentrischen Einblicke von schwulen Magistratsbeamten, orientierungslosen Busfahrern und faulen Sozialpädagogen in den englischen Berufsalltag nicht auf Nimmerwiedersehen zwischen zerknitterten Tagebuchdeckeln verschwinden. Einer der Erfinder dieses »neuen Genres« (Guardian) ist Tom Reynolds, der schon vor 5 Jahren anfing, über die nächtlichen Rettungsfahrten mit seinem heulenden »big white Taxi« durch den Londoner Osten zu bloggen. Mehr als zwanzigtausend Leser verfolgen täglich seine Berichte über missglückte Selbstmordversuche, halluzinierende Drogenwracks und herumirrende Greise. Reynolds inszeniert in seinen filmreif erzählten Nachtstücken den Rettungssanitäter als einen neurotischen Einzelgänger, der der Großstadtapokalypse nur mit todtraurigen Sarkasmus und einem Haufen guter Witze zu begegnen weiß.
Dass sich auch die vermeintlich langweiligsten Jobs der Welt als blogtauglich entpuppen, beweist die Webseite eines berufsbedingten Flaneurs, der unter dem Pseudonym C4NKR, über seinen Kampf als Parking-Attendant gegen unmenschliche Falschparker berichtet. Dem Leser wird schnell klar, dass das Anforderungsprofil einer Politesse in London nicht nur ein Talent für Tagträumerei, einen detektivischen Instinkt sowie einen inkorporierten Autopiloten voraussetzt, sondern auch zwingend einen Masterabschluss in internationalem Krisenmanagement umfasst. Wenn der Autor von seinen bürgerkriegsähnlichen Vorkommnissen mit rumänischen Blumenhändlern, türkischen Lieferanten und altenglischen Fuchsjägern bloggt, die ihn verfluchen, bestechen oder gleich überfahren wollen, ist das auf jeden Fall eine schöne Lese-Alternative zur hirngewichsten Arbeitswelt bürgerlicher Großautoren wie Ian McEwan.