





polar #19: Krieg und Frieden
EDITORIAL
INTERVENTION
INVENTUR
INTROSPEKTION
SCHÖNHEITEN
Patrick Thor Das höchste Spiel Von der Welt als Western: Cormac McCarthys Blood Meridian Or The Evening Redness in the West
| Christoph Raiser Irre Krieg und Klischee: The Incal von Alejandro Jodorowsky und Moebius
| Robin Celikates Happy Days Kriegsfolgen und Vatervergötterung: Kenzaburo Ôes The Day He Himself Shall Wipe My Tears Away
| Anna-Catharina Gebbers Zähne Zeigen Reparatur als Transformation: Kader Attias The Repair
| Franziska Humphreys Vermintes Gebiet Löcher in der Kausalität: Wolfgang Herrndorfs Sand
| Bertram Lomfeld Ein seltsames Spiel Nicht zu gewinnen: Thomas Schellings The Strategy of Conflict
| Arnd Pollmann Kriegsmüde Demokratie, Völkerbund und Weltbürgerrecht: Kants Zum ewigen Frieden
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Hybris und KalkülZynische Verkehrung: Carl Schmitts Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff | In dieser kleinen Broschüre wendet sich Schmitt einer Thematik zu, die ihn bereits nach dem Ende des 1. Weltkrieges beschäftigt hatte: Die angestrebte Verrechtlichung kriegerischer Auseinandersetzungen inklusive dem Verbot von Angriffskriegen in Verbindung mit dem Versuch der Etablierung supranationaler politischer Instanzen, die über die Rechtmäßigkeit von Kriegen entscheiden sollen. Als Kontrastfolie fungiert bei ihm das Völkerrecht eines westfälischen Systems, das auf der reziproken Anerkennung nationalstaatlicher Souveränität fußt. Integraler Bestandteil dieser europäisch-eurozentrischen Ordnung sei das Entscheidungsmonopol des jeweiligen Staates über Krieg und Frieden sowie die Einschätzung der Rechtmäßigkeit eines Krieges. Für Schmitt bezeichnet diese Beurteilung ein Moment der Einhegung der Kriegshandlungen. Im Unterschied zu nüchtern kalkulierten Kriegen seien es die »gerechten« Kriege, die mit dem Furor der moralischen Selbstgewissheit geführt würden: Und so warnt der Kronjurist des Nationalsozialismus am Vorabend eines deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges vor den »totalen« Straf- und Polizeiaktionen des Völkerbundes gegen Regierungen, die als Kriegsverbrecher stigmatisiert würden.
Trotz dieser zynischen Verkehrung bleibt Schmitts Unterscheidung gerade aus heutiger Sicht interessant: Denn der gemeinsame Nenner einer supranationalen Europäischen Union, des hybriden Kriegs in der Ukraine, der die territoriale Integrität des Landes in Frage stellt, und des Versuchs ein Kalifat auf dem Boden zerfallender Staaten zu errichten, ist die Krise nationalstaatlicher Souveränität und des darauf fußenden Völkerrechts. Angesichts der aktuellen russischen Politik gegenüber seinen Nachbarn, aber auch der Stimmen, die von einem Imperium Europa raunen, das sich um die Stabilität seiner Peripherie vom Kaukasus bis Nordafrika zu kümmern habe, werfen die Schmittschen Vorstellungen vor allem die Frage auf, welche Ordnungskonzepte wir ihnen entgegenzusetzen haben.
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| Tillman Vogt Gelage und Gemetzel Unerträglich: Curzio Malapartes Kaputt
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