polar #19: Krieg und Frieden
EDITORIAL
INTERVENTION
INVENTUR
Rebecca HarmsUkraine, 19. bis 21. Februar 2015Ein Reisebericht | Es ist nicht gelungen, die Erwartungen auf Erfolge durch die Minsker Verhandlungen mit Wladimir Putin gering zu halten. Dabei hatten die Unterhändler Angela Merkel und François Hollande alles dafür getan. Aber jeder, der die Entwicklungen des Krieges im Donbas verfolgt, kann sich nur wünschen, dass es Erfolge geben möge und dass die Kämpfe aufhören. Ein Jahr ist es jetzt her, dass die Gewalt gegen die Euromaidanbewegung nach dem mörderischen Scharfschützeneinsatz zunächst endete. Den hundert Toten wird in diesen Tagen in Kiew gedacht. Aber in die Trauer um die Opfer der Scharfschützen auf dem Maidan, in die Erinnerungen an die Flucht von Janukowitsch und an den Neuanfang in der Verkhovna Rada mischen sich 4 Tage nach dem offiziellen Beginn der Waffenruhe wieder neue, sehr schlechte Nachrichten aus dem Osten des Landes. Die Widersprüche der ohnehin schrecklichen Meldungen über die eingekesselten Bürger und ukrainischen Soldaten bei Debaltseve bestimmen fast alle Gespräche. Es ist schwer, optimistisch zu sein.
I. Vier Tage nach dem Inkrafttreten von Minsk II, Kiew Auf dem Maidan in Kiew, auf der Institutskaja und der Hruschewskaja finden sich überall Denkmäler an die Toten vom Euromaidan. Keines ist ohne frische Blumen. Für die Trauerfeiern und Veranstaltungen der nächsten Tage ist eine große Bühne aufgebaut. Eine Fotoausstellung auf dem Platz erzählt die Stationen des Euromaidan. Junge Leute sammeln für Soldaten, Bataillone und Flüchtlinge. Aber bestimmt wird das Zentrum Kiews weiter von dem unablässigen Strom der Menschen zu den Orten der Trauer. Die Trauer eint die Menschen hier. Was ich auch bei diesem Besuch wieder mit den Menschen in Kiew teile, das ist die Fassungslosigkeit. Man bleibt fassungslos darüber, wie dieses Land, diese Nation, diese Euromaidanaktivisten in einen Krieg gezogen werden konnten, den sie nie wollten. Fassungslos darüber, dass der gewaltfreie Protest, die Platzbesetzung, zu der der Journalist Mustafa Nayem im November 2013 aufgerufen hatte, den Kreml so herausfordern konnte, dass ein Jahr später ein globaler Konflikt die Folge ist. Im Februar vor einem Jahr standen wir vor den Särgen der »Holy Hundred«. Inzwischen sind mindestens 5.000 bis 6.000 Menschen gestorben. Die Zahl der Verletzten und Verkrüppelten geht in die Zehntausende. Das Schicksal der Kinder schreit wie in jedem Krieg zum Himmel. Mindestens eineinhalb Millionen Menschen sind von der Krim und aus dem Donbas geflüchtet. Den Menschen in der Ukraine muss also niemand erklären, dass Frieden eine gute Alternative wäre. Aber es sind nicht die Ukrainer gewesen, die Teile Russlands besetzt haben. Russland hat die Krim militärisch besetzt und danach annektiert. Und ohne die Unterstützung durch Waffen, Geld und Soldaten aus Russland gäbe es keinen Krieg im Osten der Ukraine. Deshalb stimmt es, dass eine Lösung nur mit Russland möglich ist. Eine dauerhafte Waffenruhe und erst recht Frieden ist nur dann möglich, wenn die Aufrüstung und Finanzierung der sogenannten Separatisten durch Russland endlich aufhört. [...]
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INTROSPEKTION
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