polar #19: Krieg und Frieden
EDITORIAL
INTERVENTION
INVENTUR
INTROSPEKTION
Milo Rau Der Frieden des Herzens und der guten Absichten Eröffnungsrede zu »Das Kongo Tribunal«
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Bertram LomfeldDie Kunst des ProzessesRealtheater der Weltpolitik | Ein Theater-Regisseur inszeniert ein internationales Tribunal in der Demokratischen Republik Kongo. In seiner Eröffnungsrede stellt Milo Rau das »Kongo-Tribunal« in eine Line mit den Nürnberger Prozessen. Natürlich ist das Kunstprojekt kein echtes Gerichtsverfahren. Und doch liegt genau hier eine wertvolle künstlerische Irritation. Auf eine gewisse Weise ist jeder Prozess eine Inszenierung und auch das Völkerrecht ein Realtheater der Weltpolitik.
Juristen und Politikern dreht sich bei der Einreihung des »Kongo-Tribunals« in die Tradition des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals der Magen um. Die historischen und rechtlichen Unterschiede sind eklatant. Die Nürnberger Prozesse und spätere internationale Strafgerichtshöfe etwa für Ruanda wurden durch völkerrechtliche Abkommen oder UN Resolutionen ins Leben gerufen. Dem Rom-Statut zur Errichtung des dauerhaften internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag traten inzwischen 123 Staaten weltweit bei. Entgegen Raus Behauptung, dass sich bisher nie ein internationales Gericht den dortigen Kriegsverbrechen annahm, sind hier auch Fälle aus dem Kongo anhängig.
Das »Kongo-Tribunal« hat keine rechtliche Grundlage und sollte auch nicht so tun, als wäre es ein juristischer Prozess. Es gleicht anderen selbsternannten intellektuellen Tribunalen, wie dem »Vietnam-Tribunal« 1966 von Russell und Sartre. Nach zwei Sitzungswochen befanden damals rund 30 anti-amerikanische Intellektuelle aus 18 Ländern die USA einstimmig für schuldig. Zu ähnlich vorhersehbaren Ergebnissen kamen jüngst ein »Irak-Tribunal« gegen das amerikanische Vorgehen im Irakkrieg und ein »Palästina-Tribunal« zur Lage der Menschenrechte in den von Israel besetzten Gebieten. Hier thematisiert das »Kongo-Tribunal« dagegen wirklich ein anderes Ausmaß an Kriegsverbrechen.
Aber die institutionellen und historischen Unterschiede zu übergehen, ist nicht nur künstlerische Anmaßung, sondern unterminiert den Friedensgedanken der internationalen Rechtsordnung. Den intellektuellen Tribunalen mangelt es nicht nur an rechtlicher Legitimation, sondern auch an klaren rechtlichen Maßstäben und einem institutionalisierten Verfahren. Wieso diese Obsession nach Recht? Weil Recht Nachvollziehbarkeit und neutrale Gründe fordert. Rechtssicherheit bedeutet nicht Gerechtigkeit, aber beschränkt die Willkür purer Macht, auch symbolischer Macht. Es ist ein Mythos, das ein intellektuelles Tribunal von niemanden abhängt. Das Projekt braucht Geldgeber, Toleranz durch Staatsmacht, Akzeptanz durch künstlerische Institutionen, Rezeption durch die Medien. Vor allem aber atmet es die politischen Intentionen seiner künstlerischen oder philosophischen Väter. [...]
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