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Wann haben hart arbeitende CIA-Ladies Zeit für Sex? Ist vielleicht die falsche Frage an Jessica Chastains Hauptfigur Maya aus Kathryn Bigelows Osama-Bin-Laden-Finde-und- Exekutiere-Film »Zero Dark Thirty«. Zuvor müsste erst geklärt werden, ob diese Maya überhaupt Sex hat beziehungsweise haben will. Wenn man küchenpsychologisch vom Ideal einer sogenannten Work-Life-Balance ausgeht, also an ein irgendwie pragmatisches Wechselspiel von Zurichtung (Büro) und Entgrenzung des eigenen Körpers (Sex) glaubt, dann sind die Verhältnisse heute eher so, dass die Zurichtung (Büro) kein Ende mehr nimmt (Überstunden, ständige Erreichbarkeit) und der Entgrenzung im Wege steht.
Maya in »Zero Dark Thirty« arbeitet aber nicht einfach nur zu viel, sie arbeitet nur. Die letztlich erfolgreiche Suche nach Osama Bin Laden ist ihr Lebensaufgabe am Karrierebeginn, zwölf Jahre lang hat sie nichts anderes gemacht – nebenbei erzählt Bigelows faszinierend-problematischer Film von einem geschichtslosen Apparat, den eben lauter karrierepräparierte Jungdynamos am Laufen halten. Mayas Kollege Dan (Jason Clarke) erscheint darin als hedonistischste Variante, der krass foltern kann, mit seinem Hipsterbart zugleich aber vorstellbar ist als Buddy in einem Provinzkaff, in dem das Leben um Barbecues, Kindererziehung und die Sau-bei-der-wöchentlichen-Probe-der-eigenen- Heavy-Metal-Band-rauslassen organisiert ist. Maya dagegen antwortet auf die Frage einer Kollegen nach Freunden ausweichend, und »fuck in the firm« ist kein Modell, dem sie etwas abgewinnen könnte. Angesichts dieser hermetischen, körperlosen Jobversessenheit muss Sex am Arbeitsplatz als melancholisches Projekt einer Zeit erscheinen, in der die Verbindung des Angestellten zu seinem Begehren auf berührende Weise unmittelbar war.
Etwas intakter ist diese Auffassung der Work-Life-Balance in David O. Russells romantischer Komödie »Silver Lining Playbook«, insofern die weibliche Hauptfigur Tiffany (Jennifer Lawrence) noch eine Spielart des Life (als Sex) vorzuweisen hat. Ihr sexuelles Verlangen unterliegt allerdings starken Schwankungen, den Tod des Mannes hat Tiffany versucht, mit hemmungsloser Promiskuität zu bearbeiten: Sie hatte einfach mit allen Angestellten (in Zahlen: 11) Affären. Diese konsequente Entgrenzung des Körpers wird freilich nicht als Utopie eines anderen gemeinschaftlichen Miteinanders zu denken gewagt, sondern steht als sittliches Problem im Raum: Wenn Tiffany für das finale Sichkriegen in Frage kommen soll, das immer am Beginn einer unendlich glücklichen Ehe steht, dann muss das »Rumficken« als Resultat psychischer Desorientierung Geschichte werden. In solcher Zuspitzung erfährt das uralte Bild, das sich Männer von Frauen machen, »La maman et la Putain«, Heilige und Hure, eine amerikanische Aktualisierung: Tiffanys grenzenlose Sexualbereitschaft, ihre Sluthaftigkeit mag zwar vor der offiziellen Moral ein Problem darstellen – als Fantasiewärmer für eine extremere Spielart von Sex regt sie nebenher aber auch die Vorstellungskraft von Betrachter und kommendem Ehemann Pat (Bradley Cooper) an. [...]
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