Anna-Katharina MeßmerFragen Sie Ihren örtlichen Vagina-DesignerÜber Intimchirurgie und das Scheitern |
Sex scheitert. Ununterbrochen. Und er scheitert an den problematischen Voraussetzungen der »Natur«. Der Penis nicht hart oder nicht groß genug, die Vagina zu weit, störender »Gewebeüberschuss« an der einen Stelle, zu wenig stimulierbares Gewebe an einer anderen. Wissenschaftliche Studien attestieren über 50 Prozent aller Männer Erektionsprobleme und bis zu 90 Prozent aller Frauen klitorale und/oder vaginale Erregungsstörungen. Angesichts dieser Daten verwundert es bisweilen, dass Menschen überhaupt Sex haben.
Der menschliche »natürliche« Körper scheint für einen lustvollen, heterosexuellen Penetrationsakt nicht geschaffen. Und so finden sich auf dem Kontinuum möglicher genitaler Selbstbearbeitungen zwischen Intimwaschlotion und Vaginalverengung zahlreiche Enhancement-Methoden, die besseren Sex und intensivere Orgasmen versprechen.
Nach den Sex-Ratgebern der 1990er–2000er Jahre – die ganz im Sinne der heteronormativ gerahmten, kapitalistischen Steigerungslogik Titel wie Die perfekte Liebhaberin trugen – stehen nun die Genitalien als zu bearbeitendes Material im Mittelpunkt. Gegen vaginale Erregungsstörungen können Frauen im Pelvic-Spa ihre Vaginalmuskulatur trainieren und anschließend im Wellness-Programm wieder entspannen. Männern hingegen steht eine ganze Reihe von Arzneimitteln zur Verfügung, die statt erektiler Dysfunktion Omnipotenz versprechen. Und wer sich bei der Penetration mehr Reibung zwischen Penis und Vagina wünscht, greift auf Penis-Pumpen und Cremes zur Vaginalverengung zurück. Sind diese Möglichkeiten ausgeschöpft oder nicht »zielführend«, kann der Körper nun auch mittels Intimchirurgie optimiert werden.
Der spurenlose Körper Mit Intimchirurgie werden oftmals Methoden zur Penisvergrößerung assoziiert, ein Phänomen, das in erster Linie aus dem Spamfilter des E-Mail-Postfachs bekannt ist. In der Tat gibt es verschiedene kosmetisch-chirurgische Eingriffe am männlichen Genital, doch werden jene Operationen eher selten durchgeführt – valide Zahlen gibt es nicht. Zudem stehen die verschiedenen Fachgesellschaften für Ästhetische und Plastische Chirurgie der operativen Bearbeitung des männlichen Gliedes aus kosmetischen Gründen eher kritisch gegenüber. Die weibliche Intimchirurgie hingegen hat sich in den vergangenen Jahren als Feld etabliert und verzeichnet derzeit enorme Wachstumsraten. Allein von 2010 auf 2011 hat sich die Zahl der Eingriffe mehr als verdoppelt – Tendenz weiter steigend. Zumeist unter dem Stichwort »Vaginalverjüngung« wird eine Vielzahl kosmetischer Eingriffe an Vulva und Vagina angeboten, die jegliche Spuren von Geburt, (sexueller) Erfahrung und Alter zu tilgen versprechen: Frauen lassen sich die Vagina straffen, den G-Punkt aufspritzen, am Venushügel Fett absaugen und die Schamlippen verkleinern. Im Paket gibt es die Eingriffe als »Geburtsfolgenkorrektur «. Als Begründung dient meist die verbesserte Sexualität der Patientin (und ihres Partners). Auch werben immer mehr Kliniken damit, dass die Vagina einer Frau an die Gegebenheiten ihres Partners angepasst werden kann. Sexualität und Partnerschaft werden hier zur Körperarbeit – vorzugsweise vollzogen am Körper der Frau. [...]
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