Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #14: Sex und Befreiung




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Keller
Editorial



ERWIDERUNG

 
Greta Christina
Was zählt?
Zur Grauzone zwischen Sex und Nicht-Sex
 
Gunter Schmidt
Befreiung der Sexualität? Befreiung durch Sexualität?
Zur Problematik des Begriffs »sexuelle Freiheit«
 
Andrea Roedig
Unterm SpaĂź riecht es nach Angst
Wie der Feminismus seinen Sex verlor
 
Pınar Selek
Gegen die Wand der Maskulinität
Wie der Feminismus dazu beiträgt, die Logik des Krieges in der Türkei zu überwinden
 
Kathrin Ganz
Der Druck muss raus
Sexualaufklärung ohne Unsicherheitskultur
 
Holly Davis
Verhärtete Fronten
FĂĽr eine Waffenruhe in der Prostitutionsdebatte
 
Stefan Gosepath
Sex und Gerechtigkeit
Passen Justitia und Venus zusammen?
 
Interview Peaches
»Die sexuelle Revolution war männlich«
 
Corinna Mieth/Arnd Pollmann/Klaus GĂĽnther/Peter Siller
Ist es links? >Sexuelle Gerechtigkeit<



ERREGUNG

 
Anna-Katharina MeĂźmer
Fragen Sie Ihren örtlichen Vagina-Designer
Ăśber Intimchirurgie und das Scheitern
 
 

Svenja Flaßpöhler

Alles Porno

Sex im Burnout-Zeitalter


Menschen haben Sex. Dies ist ein Satz, der, soviel Evidenz er auch auf den ersten Blick zu beanspruchen scheint, immer fragwürdiger wird, je länger man auf ihn schaut. Ist es nicht eigentlich seltsam, dass Wesen, die auf zwei Beinen gehen, Kleidung tragen, über Sprache verfügen, mit Messer und Gabel essen, E-Mails schreiben, Smartphones bedienen und am Sonntag Nachmittag bei einer Tasse Tee das Feuilleton lesen, sich dann und wann ihre durchaus nicht geruchsarmen und auch nicht sonderlich ansehnlichen Geschlechtsteile zur Begattung hinrecken? »Ich schau mir das lieber bei einem Hund an«, so sagte der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard einmal. Wäre es nicht tatsächlich möglich, dass dem Menschen der Geschlechtsakt immer suspekter wird, je weiter er sich entwickelt? Zumal dieser Akt mit dem Erhalt der Gattung ja keineswegs mehr in notwendiger Beziehung steht. Die Pille hat den Sex von der Fortpflanzung abgekoppelt, die Reproduktionsmedizin später dann umgekehrt die Fortpflanzung vom Sex: Im 21. Jahrhundert müssen Menschen nicht mehr miteinander schlafen, um Nachkommen zu zeugen, und es wäre zumindest vorstellbar, dass die Technik den Koitus früher oder später vollständig ersetzt.

Könnte es also sein, dass der Mensch den Sex irgendwann überwunden haben wird? Dass er ihn hinter sich lässt wie vor Jahrmillionen Reißzähne und Fell? »Das Sexualleben des Kulturmenschen ist doch schwer beschädigt, es macht mitunter den Eindruck einer in Rückbildung befindlichen Funktion, wie unser Gebiß und unsere Kopfhaare als Organe zu sein scheinen«, ist in Sigmund Freuds Das Unbehagen in der Kultur zu lesen. »Man hat wahrscheinlich ein Recht anzunehmen, daß seine Bedeutung als Quelle von Glücksempfindungen, also in der Erfüllung unseres Lebenszweckes, empfindlich nachgelassen hat.«

Das ist zugegebenermaßen eine steile These. Ja, es ist noch nicht einmal eine These, sondern, daraus macht Freud keinen Hehl, eine Spekulation, die natürlich sofort Widerspruch hervorruft: Das Sexualleben des Menschen soll evolutionärer Abfall sein? Ist Freud nicht das Kind einer Zeit, in der die kulturelle Sexualmoral so streng war, dass schon allein der Gedanke an Sex mit gnadenlosen Gewissensbissen bestraft wurde? Tatsächlich leben wir doch heute in einer ganz anderen Gesellschaft: Vierzig Jahre nach der sexuellen Revolution, die Freud nicht mehr miterlebt hat, gibt es keinen Kuppeleiparagrafen mehr, und der Ausdruck »vorehelicher Sex« zaubert Pubertierenden heute höchstens noch ein Grinsen ins Gesicht. Im Kino werden erigierte Geschlechtsteile mit einer Selbstverständlichkeit gezeigt wie in den 1950ern Knie. Pornodarstellerinnen treten in Talkshows auf, Edel-Sexshops befinden sich hell ausgeleuchtet in bester City-Lage. Kurz und gut: Die sexuelle Liberalisierung, oder, weniger wohlwollend ausgedrückt, die gesellschaftliche Pornografisierung, ist doch wohl das schlagende Argument gegen Freuds Behauptung! Sind wir nicht heute, was den Sex angeht, so frei und, möchte man doch meinen, entsprechend auch so aktiv wie nie zuvor? [...]


 
Julia Seeliger
Macht Euch mal locker
Dates, Porno und Liebe im Internet
 
Volker Woltersdorff
VernĂĽnftige Unvernunft?
Zur Lust am Spiel mit der Macht
 
Silvio Wirth
Den Tiger reiten
Tantra als Beitrag zu einer erotischen Kultur
 
Cordelia Fine
Abschied von der Pappkameraden- Feministin
Neurosexismus und Wissenschaftsgläubigkeit
 
Henriette Fiebig
Kopulierende Breitrandschildkröten n
Wie Online-Enzyklopädisten sich (nicht nur) hehren Zielen verschreibe
 
Amely Wahnschaffe
Liebe, Schmerz, Hoffnung
Ein paar Sexualitäten, vom Therapeutensessel aus gesehen
 
Aletta Diefenbach
Daphne und Alex
Eine Ur(bett)szene der sexuellen Befreiung
 
Johann S. Ach
Mensch und Tier
Bundesrats-Drucksache (300/1/12): Zur aktuellen Debatte um »Tierbordelle«
 
Marie Schmidt
Mein Halbes Jahr: >Literatur<
Jean Clam – Miranda July – Byung-Chul Han
 
Johannes von Weizsäcker
Mein Halbes Jahr: >Musik<
Sasha Grey – aTelecine – Carter Tutti Void – Throbbing Gristle – Factory Floor – Frank Ocean – Jon Spencer Blues Explosion – Ghikas-Walshe
 
Matthias Dell
Mein Halbes Jahr: >Film<
Zero Dark Thirty – Silver Linings Playbook – Paradies: Liebe



EMANZIPATION

 
Mark Greif
Im Hochsommer der Sexkinder
Plädoyer für die Wiederentdeckung des Erwachsenseins
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Rom/Hallo Karthago: >Nacht fĂĽr Nacht<
 
Martin Saar
>SeXXX!<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Jyoti Singh und der Feminismus in Indien<



SCHÖNHEITEN

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