Es gibt unendlich viele Lieder über Liebe, aber iTunes bietet gerade mal 173 Songs mit einem »friend« im Titel zum Download an. Freunde werden offenkundig deshalb weniger besungen, weil sie verlässlicher und weniger fraglich sind. Und während es in Lovesongs zumeist ja nur darum geht, dass und wie sehr oder dass nicht mehr geliebt wird, machen Lyrics über Freundschaft zumeist diese selbst, deren Wesen zum Thema. Vor gut 2300 Jahren hat Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik das Versmaß jeder guten Freundschaftsanalyse vorgegeben: Es gibt drei Arten, befreundet zu sein, und die ersten beiden sind häufiger, aber defizitär. Manche sind befreundet, weil sie sich davon einen konkreten Nutzen versprechen, andere, weil ihnen das Lust oder moderner: Spaß bringt. »Vollkommen« jedoch sind Freundschaften nach Aristoteles nur, wenn sich darin tugendhafte Menschen begegnen und an der Tugendhaftigkeit des anderen erfreuen. Auch diese Freundschaften bringen Nutzen und Spaß, aber nur sie führen zum »gute Leben«.Jeder Song, der die Essenz der Freundschaft ergründen will, muss sich an dieser Analyse messen lassen. Dazu drei Meilensteine aus Deutschland: Das ergreifendste Karnevalslied aller Zeiten stammt von den Kölner Höhnern und verspricht »Echte Fründe ston zesamme«. Dass aber echte nicht schon vollkommene Freunde sind, wird beim Hinhören offenkundig: Wer sich Freunde hält, nur damit diese »en der Nut« zu ihm stehen, knüpft genau jene bloß auf Vorteil bedachten Bande, die Aristoteles als Nutzenfreundschaft verspottet hat. Die feinste Karikatur der Lustfreundschaft hingegen stammt von Funny van Dannen: »Freundinnen müsste man sein«. Dann könnte man über alles reden, sich neue Schuhe kaufen und auf Parties gehen. Und nichts und niemand könnte einen trennen, gar nichts auf der Welt, »bis uns eines Tages derselbe Mann gefällt«. Und welcher Song erzählt von der vollkommenen Freundschaft? Die Wahrheit liegt, wie so oft, auf dem Platz. Genau elf »Gute Freunde« müsst ihr sein, die »kann niemand trennen«, sang einst Kaiser Franz: »Lass’ doch die andern reden. Was kann uns schon geschehn? Wir werden heut’ und morgen nicht auseinander gehn.«
Aristoteles, Nikomachische Ethik; Meiner; 4. Auflage (1985), Übersetzung: Eugen Rolfes; 450 Seiten, 19,80 Euro