Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #5: Politik der Freundschaft



EDITORIAL

 
Peter Siller,/Bertram Keller
Editorial



INS HERZ

 
Georg W. Bertram
Was uns aneinander bindet
Das komplexe Netz freundschaftlicher Beziehungen
 
Peter Siller
Grundlose Freunde
Zur Irritation intrinsischer Verbundenheit
 
Interview Ann Elisabeth Auhagen
»Sei dein Freund«
 
Martin Hecht
Netzwerk statt Fachwerk
Die neue Autonomie der Freundschaft
 
Jörn Lamla/Thies W . Böttcher
»Social Net«-Work
Freundschaft als digitale Werbefläche
 
Jörg Benedict
Jenseits von Ehe und Familie
Amorphe Sonderverbindungen: Freundschaft als Rechtsinstitut
 
Sebastian Groth
Völkerfreundschaft
Zur Grauzone zwischen protokollarischer Inszenierung und politischem Ereignis
 
Julien Lennert
An der Grenze
Panarabismus und Flüchtlingspolitik in Syrien
 
Hilal Sezgin
Mein Freund, das Schaf
Von Städtern, Bauern und ihren Tieren
 
Stefan Gosepath, Arnd Pollmann, Stefan Huster, Peter Siller
Ist es links?: >Parteilichkeit<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Host Mom<



IM NETZ

 
Frank Ãœberall
Drink doch ene met
Klüngel, Strippenzieher und echte Freunde in der Politik
 
Vincenz Leuschner
Geben und Nehmen
Die informelle Struktur politischer Freundschaften
 
Michael Miebach
Die Kontrolle der Seilschaft
Warum Politik offene Netzwerke braucht
 
Jan Philipp Albrecht
In der Idee die Verbundenheit
Warum Politik Freundschaft braucht und gefährdet
 
Interview Danielle Allen
»Sollten Bürger Freunde sein?«
 
Arnd Pollmann
Die nennen es Arbeit
In der Geisterbahn des geisteswissenschaftlichen Netzwerks
 
Julia Roth
Bond Girls go Girl Bonding
Frauenfreundschaft zwischen Mythos und Strategie
 
Erika Alleweldt
Sich bewegen müssen
Zum Freundschafts-Verständnis junger Journalistinnen
 
 

Janosch Schobin/Kai Marquardsen

Auf solche Freunde kann man verzichten

Arbeitslosigkeit und soziale Hoffnungen


Unter der Bedingung flexibilisierter Arbeitsmärkte, schrumpfender Wohlfahrtsstaaten und ausdünnender Familien wird die Freundschaft zunehmend zum Fluchtpunkt multipler sozialer Hoffnungen. Eine davon ist, dass Freundschaften für Arbeitslose eine Ressource emotionaler Unterstützung, aber auch handfester materieller Hilfe sein könnten: Eine optimistische These, die den Zusammenstoß mit der Wirklichkeit in der Regel nicht überlebt.

Wer arbeitslos ist, muss meist hart darum kämpfen, seine Freundschaften aufrecht zu erhalten, davon sie zusätzlich zu »funktionalisieren« kann nicht die Rede sein. Wer ins Abseits gerät, wer auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Halt mehr findet, dessen außerfamiliäre persönliche Netzwerke geraten zwar nicht immer, aber doch oft in einen Strudel der Vernichtung. Welche Entstehungsdynamiken kennzeichnen Freundschaftsnetzwerke und warum endet längere Arbeitslosigkeit oft in ihrer Zerstörung? Wir wollen nach den Gründen der Tragödie, aber auch nach möglichen Auswegen fragen.

Der Normalfall: die sozialhomogene Freundschaft

Es gibt einen zweiten unpopulären soziologischen Befund zur Freundschaft, bei dem wir unseren Anfang nehmen wollen. Erst kürzlich brachte die Bundesregierung ein schönes Plakat heraus, auf dem zu lesen stand: Freundschaft sei keine Frage der Herkunft. Hier muss der Soziologe die Marketingabteilung der Regierung Lügen strafen. Freundschaft ist alles andere als herkunftsblind. Kaum ein Befund zur Freundschaft ist so klar wie dieser: Freundschaften finden vor allem zwischen Menschen mit ähnlicher ethnischer Herkunft, gleichem Geschlecht und Alter und vergleichbarem sozio-ökonomischen Hintergrund statt. Freundschaft kennt alle Farben des Sozialen und hat eine starke statistische Vorliebe für einfarbige Arrangements. Dieser ärgerliche Sachverhalt ist einer der wenigen Aspekte von Freundschaft, der stabil mathematisch modellierbar und statistisch vorhersagbar ist. Aber nicht nur auf der Makroebene grober Zahlenverhältnisse stimmt der Befund. Wer Interviews mit Freundespaaren führt, wird nicht selten die frappierendsten Ähnlichkeiten in ihren Biographien vorfinden. In vielen Fällen gleichen sich die Erzählungen enger Freunde nicht nur in inhaltlichen Aspekten, wie dem Alter, in dem sich die Eltern scheiden ließen, oder der Ausbildung, die sie wählten, sondern weisen auch prägnante Ähnlichkeiten in der Rekonstruktionsweise ihrer Biographien auf. Die Freunde und Freundinnen berichten in den Eingangssequenzen der Interviews über ähnliche prägende Erlebnisse und stellen im Laufe der Erzählung den Ablauf ihres Lebens in ähnlichen Logiken dar. Die Sozialhomogenie der Freundschaft erweist sich bei genauer Betrachtung, als eine Amalgamierung von kategoriellen und biographischen Gleichförmigkeiten.

Die durch Zufall unwahrscheinliche Überlappung sozialer Merkmale von Freunden und Freundinnen ist vor allem über die kontextspezifische Entstehung von Freundschaften sowie über Effekte sozialer Störgrößen zu erklären versucht worden. Starke soziale Unterschiede führen in engen persönlichen Beziehungen angeblich häufig zu Irritationen. Weiter wird vermutet, dass Referenzgruppendefinitionen, die über bestimmte soziale Kategorisierungen laufen, einen starken Effekt auf Freundschaftswahlen haben. Jungs wählen Freunde, und Mädchen Freundinnen, weil sie sich damit auf grundlegende soziale Figurationen berufen können. Auch belegen verschiedene soziologische Studien und sozialpsychologische Experimente, dass Freundschaft eine freiwillige Beziehung ist, die besonders gut gedeiht, wenn man dazu gezwungen ist, mit jemandem etwas zu tun zu haben. Diese Eckdaten erklären zwar die Homogenie sozialer Merkmale zwischen Freunden, begründen aber die biographischen Gleichförmigkeiten nicht hinreichend. Das gelingt erst im Lichte folgender Tatsache: Freundschaften entstehen vor allem in sozialen Zwangsveranstaltungen wie der Schule, dem Betrieb, der Universität, und, wenn auch heute immer seltener, religiösen Gemeinden oder der Nachbarschaft. Die Orte der Freundschaftsgenese legen einen Zusammenhang mit den kongruenten Erzählungen der Freunde nahe: Es handelt sich überwiegend um emblematische Episoden der Normalbiographie. Transformationen von Freundschaftsnetzwerken decken sich dabei mit dem Eintritt in verschiedene Institutionen der Normalbiographie und somit mit Lebensabschnittsanfängen.

Müsste man auf Grund der statistischen Makrodaten und biographischen Normalformerwartungen ein Standardmodell für die Genese und Transformation von Freundeskreisen durch die Lebensalter formulieren, dann würde es in etwa so lauten: Die ersten Freundinnen und Freunde findet man in einem institutionellen Kontext, etwa im Kindergarten oder der Grundschule. Auf diesem Grundstock organisationell vermittelter Kontakte baut man dann über Freundes-Freunde einen erweiterten Freundeskreis auf. Große Transformationen der Freundeskreise stehen mit jedem Schulwechsel, mit jedem Umzug und mit dem Wechsel von einem Lebensalter in ein anderes an. Die großen Zäsuren der Freundschaft sind der Eintritt in eine weiterführende Schule, der Schulabschluss, der Berufseintritt und die Gründung einer Familie, die erste Scheidung, Todesfälle von Lebensgefährten usw. Im Falle des Eintritts eines solchen biographischen Übergangs oder Bruchs entsteht ein neues Freundessegment im Freundeskreis, während ein altes ganz oder bis auf ein Residuum von ein, zwei älteren Freunden/Freundinnen wegbricht. Das Resultat ist das, was wir hier als Normalfreundschaft bezeichnen wollen: Ein Kreis von Personen, die mit uns in etwa die gleichen Sozialisierungsinstanzen durchlaufen haben, die sich im selben Lebensabschnitt wie wir befinden und eine ähnliche sozialstrukturelle Position mit uns teilen.

Über den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Normalfreundschaftstod

Die Normalfreundschaft hat, wie wir eingangs sagten, einen Makel. Unsere bisherige Beschreibung legt nahe, dass Menschen, die nicht in der Lage sind, sich gesellschaftliche Teilhabechancen hinreichend anzueignen, in beträchtliche Schwierigkeiten geraten, ihre Freundschaften aufrecht zu erhalten, weil Freundeskreise über institutionelle Anbindungen moderiert und durch soziale Homogenität stabilisiert werden. Das normativ gemeinte Sprichwort »A friend in need, is a friend in deed« stößt im Falle längerer oder häufiger Arbeitslosigkeit auf sein gefürchtetes Kreuzexperiment, weil Arbeitslosen wesentliche Organisationsmitgliedschaften wegbrechen und sie zudem keine stabile sozialstrukturelle Position mehr einnehmen können. Hier besteht die Versuchung, diese Beschreibung schon zur Erklärung zu stilisieren. Klar: Die Orte der Normalbiographie sind mit den Mechanismen primärer sozialer Stratifizierung verklammert. Die Freundschaften wachsen um diese Institutionen herum, und weil Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, aus verschiedenen sozialen Schichten einfach nicht gut befreundet sein können, verlieren diejenigen, die in dieser imaginierten Ordnung keinen festen Platz haben, ihre Freunde. Bei Lichte betrachtet liegt der Fall jedoch komplizierter. Es gibt keinen Automatismus, der die wichtigsten, organisationell vermittelten, persönlichen Kontakte direkt in Freunde transformiert und bei Unterbrechung einer Organisationsmitgliedschaft die Freundschaften rückgängig macht, nur weil plötzlich nicht mehr die gleiche Lebenswelt oder ein vergleichbarer sozialer Status mit den Freunden geteilt wird. Manch eine bleibt ihr ganzes Leben hinweg mit alten Schulfreundinnen in regem Kontakt und viele sozialhomogene Freundschaften weilen vom Sandkasten bis ins Grab. Worin genau besteht also das besondere Drama, die Arbeit häufig oder auf Dauer zu verlieren?

Um diese Frage zu beantworten, muss man einen Blick auf die Feinmechanik der Freundschaft werfen. Sozialhomogene, institutionell vermittelte Freundschaften haben eine wesentliche Eigenschaft: Es handelt sich um lebensphasenspezifische Beziehungen, die auf Alltagsriten angewiesen sind. In ihrer alten und heute nur noch teilweise gültigen Form, könnte man sie als Lebensaltersfreundschaften bezeichnen. Die Freunde und Freundinnen treffen sich zu Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der oft mit bestimmten sozialen Veranstaltungen zusammenfällt, und richten sich dann durch die Etablierung wiederkehrender Praktiken auf die Bewältigung dieser Situation ein. Junge Männer-Paare gehen zusammen auf Brautschau, Elternfreundschaftsquadrigen treffen sich beim Elternabend der Kinder und unterstützen sich fortan bei der Aufzucht derselben, Witwenkleeblätter finden einander beim Skatspiel des Wandervereins und ermöglichen sich so eine zweite Blüte im Alter. Alte Freundschaften überdauern oft mehrere Lebensalter, sie durchgehen sie im Gleichschritt und können sich in den entsprechenden Umbrüchen erneuern.

Nun hat die Erosion der Normalbiographie schon lange Scharten in die Organisation der Lebensalter gerissen. Für viele ist das Leben in plurale, zeitlich kürzere und teilweise parallel laufende Segmente zerfallen. Luc Boltanski würde sie Projekte nennen. Das bringt neue, zeitliche Koordinierungsschwierigkeiten mit sich und hat auch Konsequenzen für die Freunde. In ihrer modernen Gestalt lebt die sozialhomogene Lebensalterfreundschaft als »Projekt-Freundschaft« weiter. Auch sie hat eine unbewusste Zielsetzung und ein diffuses Verfallsdatum. Arbeitslosigkeit ist auf mehreren Ebenen ein potenzieller Deal-Breaker für diese temporalisierte und temporalisierende Freundschaftsform. Gerade die projektifizierten Freundschaften stehen unter einem enormen normativen Ritualisierungsdruck. In Erzählungen von sozialhomogenen Freundschaften stößt man überall auf die Beschreibung ritualisierter Praktiken. Freundschaften zwischen Gleichen wollen und sollen gepflegt werden. Pflege bedeutet dabei rhythmisch wiederkehrende Kontaktaufnahmen und gemeinsame Aktivitäten.

Besonders Arbeitslose sprechen unentwegt davon, ihre Freundschaften pflegen zu müssen, und thematisieren oft die Unmöglichkeit, dies adäquat zu tun. Es wird darüber geklagt, dass es nicht mehr möglich sei mitzuhalten, dass die kostspieligen Einladungen und Gegeneinladungen und die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Aktivitäten außerhalb ihrer finanziellen Reichweite lägen. Arbeitslose distanzieren sich häufig aus eigener Entscheidung von Freundschaften, die über solche Konsumrituale und -events aufrechterhalten werden. Oberflächlich betrachtet gehen mit der Arbeit die finanziellen Ressourcen verloren, die benötigt werden, um die alljährlichen Ski-Urlaube, die allmonatlichen Abendessen oder die allwöchentlichen Kneipenbesuche zu finanzieren. Die Ordnung der Wiederkehr, die die Freundschaft institutionalisiert und in eine Alltagskomponente transformiert, zerbricht. Das ist für sich schon ein gravierendes Problem. Es fallen aber auch andere Konsummöglichkeiten weg, die als Erkennungszeichen des jeweiligen Projekts identifiziert werden können. Die Symbole, die die Verpflichtung der Eltern auf ein bestimmtes Erziehungsethos anzeigen, stehen ebenso zur Disposition wie die Hip-Hop-Klamotten, mit denen ihre Kinder die für ihre Freundschaften konstitutive Devianz von der öffentlichen Angemessenheit artikulieren. Die Insignien, die die Verpflichtung auf das gemeinsame Projekt signalisieren, geraten außer Reichweite.

Doch das ist nur die Oberfläche des Dramas. Die Tiefenstruktur zeichnet sich dort ab, wo die Arbeit selbst Teil des jeweiligen Lebensentwurfs gewesen ist. Es ist mehr als eine kleine, biographische Kontingenz, wenn eine der Freundinnen die Arbeitsstabilität verliert und damit aus der Bahn ihrer Karriere gerät: Anhaltende Arbeitslosigkeit ist eine Zeichnung, eine Markierung, die anzeigt, dass ihre experimentelle Wahlbiographie ein Fehler gewesen ist. Arbeitslosigkeit wird heute in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend nicht mehr als Effekt einer sozialen Lage, sondern als Konsequenz persönlicher Karriereentscheidungen verstanden. In der Zwickmühle zwischen Handlungsfreiheit und Entscheidungszwang befleckt sich der flexible Mensch mit dem Makel seiner Wahlentscheidungen. Die projektifizierten Freundschaften tangiert dies insofern, als sie eine gemeinsame Lebensstrecke, einen gemeinsamen Zukunftsentwurf generieren. Mit der Arbeitslosigkeit gerät das gemeinsame Projekt in den Verdacht vergiftet zu sein. Die projektierte Zukunft ist einer der Freundinnen versagt. Es entsteht ein doppelter Kreuzweg. Der einen ist der Weg verstellt. Sie muss einen anderen Pfad suchen, schnell eine Abkürzung zurück finden oder sie ist aus dem Lebensentwurf raus. Die andere wiederum muss entweder eine neue Gefährtin suchen oder ihren Weg ändern. Die Koordinierungsschwierigkeiten befristeter Lebensentwürfe vernichten die Beziehung. Der Bruch vollzieht sich damit nicht nur, weil einem auf einmal das Geld fehlt, um die Beziehungen zu pflegen, sondern weil das Fehlen der Arbeit anzeigt, dass man keine absehbare gemeinsame Zukunft hat. Ein Dilemma, das sich mit der zunehmenden Befristung von Lebensentwürfen und der verstärkten individuellen Zuschreibung von Karrierekonsequenzen intensiviert.

Jenseits der sozialhomogenen Normalfreundschaft

Aus Statistiken und Interviews extrapolierte Normalformen haben den Nachteil, die regelmäßigen Ausnahmen zur Nebensächlichkeit umzudeklarieren. Gerade in Minoritäten liegen die lebensweltlichen Reserven, die Majoritäten von morgen, verborgen. Die organisationell vermittelte, sozialhomogene Freundschaft mag der dominante Freundschaftstyp in unserer Gesellschaft sein, er ist aber mitnichten der einzige. Freundschaft ist eine offene Pluralität von Beziehungsformen. In den biographischen Seitentaschen findet man als Soziologe immer wieder die seltensten Schätze: Junge Männer, die über Jahre gut mit älteren Frauen befreundet sind, Ruhrpottkumpel, die eine beste Freundin in höherer sozialstruktureller Position haben, Freunde und Freundinnen, deren einziges Konsumgut das gemeinsame Gespräch und deren einziges Ritual das Spiel Schach oder der Spaziergang im Park ist, ältere Frauen, die mit einer jüngeren das Projekt teilen, die Kinder der anderen aufzuziehen, ethnisch und geschlechtlich gemischte Freundesgruppen, die auch über Jahre nachdem ihre Gemeinschaft zerbrochen ist noch Kontakt zueinander halten. Alles weist darauf hin, dass es mehr als nur eine Alternative zur projektifizierten, sozialhomogenen und durch Konsumrituale stabilisierten Normalfreundschaft gibt.

Schaut man auf die Freundschaftserzählungen Arbeitsloser, dann zeigt sich, dass es gerade die anderen, die statistisch bedeutungslosen Ausnahmen sind, die sich als haltbar und unangreifbar erweisen. Ältere, gesetzte Freude geraten nicht so leicht in Panik, wenn der jüngere Freund arbeitslos wird. Es tangiert ihren eigenen Lebensentwurf nicht, mehr noch, sie haben solche Probleme schon erlebt und können Rat bieten und Stütze sein. Freundschaften zu Frauen können für manchen harten Kerl die einzige Möglichkeit sein, über sein Versagen in der Arbeitswelt zu sprechen, und Freunde aus anderen Kulturkreisen und Sozialschichten haben den Vorteil, den Blick auf alternative Lebenswege in besonders unverstellter Weise zu gewähren. Als Soziologe schaut man verwundert auf die geführten Interviews und fragt sich, wie diese scheinbar unmöglichen Konstellationen zu Stande kommen mochten. Wir wissen nicht viel über jene anderen Freundschaftstypen und können über sie nicht viel mehr sagen, als dass es sie gibt. Teilweise entstehen sie in den alten Ruinen der Normalbiographie. Die Nachzüglerin, die ein Studium beginnt, nachdem ihre Kinder schon aus dem Gröbsten raus sind, der joviale ältere Mitarbeiter im Betrieb, der sich des jungen Berufeinsteigers annimmt, und Großfamilien, die Stress geplagte Singles in ihrer Mitte als Familienfreunde aufnehmen, leben solche Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund der erschlagenden Mehrheit sozialhomogener Freundschaften sind die anderen, untypischen Freundschaften bis heute jedoch kaum sichtbar geworden. Wir können nur vermuten, warum sie den Befristungen keine Achtung schenken und ein Leben jenseits der Segmentierungen begleiten können: Vielleicht entspannt sich das Drama einer Zukunft auf Abruf genau zwischen Menschen, deren Biographien so inkommensurabel, so unvergleichbar sind, dass sie wechselseitig eine Position jenseits des Labyrinths antizyklischer Lebensprojekte definieren.



 
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