Mit den Medien sind es die üblichen Verdächtigen, die den Beckenbauerschen Leitspruch »Gute Freunde kann niemand trennen« widerlegen. Während die Glotze zum Regieren noch taugt, wird ihr Nutzen für die Ausbildung eines belastbaren sozialen Zusammenhalts zunehmend in Zweifel gezogen. War Flipper noch ein echter Kumpel, der ein wenig Trost in die Tristesse von Wohnsilos brachte, so kippt die Überidentifikation mit Serienhelden heute regelmäßig ins Psychopathologische. Einer strikten Schundprävention verpflichtet, halten erfolgreiche Kinderbücher denn auch ein Freundschaftsideal hoch, das mit der medialen Sozialisation ihrer Zielgruppen nichts gemein hat.Hierbei macht der Vorleseband »Wundermeerschwein rettet die Welt« von Udo Weingelt (Text) und Nina Spranger (Illustration) zunächst keine Ausnahme: So ist der Frieden in der harmonischen Tier-WG der Familie Könneke akut bedroht, als das Meerschweinchen Burito sich mehr und mehr von einer TV-Serie absorbieren lässt, in der ein begnadeter Artgenosse mit Cape und Maske die Welt jeden Tag vor bösen Superverbrechern und Naturkatastrophen rettet. Burito scheidet durch seine obsessive Wahlverwandschaft plötzlich als Spielgefährte aus, was vom Kanarienvogel von Perlewitz, der Jagdhündin Frieda und dem Goldfisch Arthur mit ätzenden Sprüchen quittiert wird. Erst, als die »reale« Existenz des Wonder-Nagers durch Burito vorgegaukelt wird, setzt die Kritik der Kumpels kurzzeitig aus. Doch Burito überzieht, vermasselt einen Stunt über dem Goldfischglas und muss in einer konzertierten Aktion der anderen gerettet werden. Die Einsicht in den Wert »echter« Freundschaft folgt zwar so sicher wie der Punktabzug beim Sams, mündet aber gerade nicht in einem Bannspruch gegen die medialen Verheerungen. Vereint, als Couch Potatoes, wählen die Tierfreunde ein anderes Programm aus. Das falsche Leben im Optionalismus kann so schön sein.
Udo Weingelt/Nina Spranger, Wundermeerschwein rettet die Welt.
Patmos/Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2006.