





polar #5: Politik der Freundschaft
EDITORIAL
INS HERZ
IM NETZ
AM RAND
SCHÖNHEITEN
Peter Siller Raffsch Du’s net? Ein universeller Film über die Einsamkeit: Maren Ades »Der Wald vor lauter Bäumen«
| Malte König Ehe zu viert 4 x 1 statt 1 + 3: Das Streichquartett
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Michael EggersBlauschimmerndes HaarBlutsbrüder: Winnetou und ich | Zwei wenig ältere Mädchen aus der Nachbarschaft hatten mich infiziert. Um das Fieber chronisch werden zu lassen, genügte die jährliche Wiederholung der Filme, meist um Weihnachten. Was schon lange ein deutsches Massenpublikum rauschhaft vereinen konnte, hatte, um Generationen verspätet, auch mich erfasst: Die Faszination für das sentimentale, naturverbundene Heldentum, für diese Mischung aus fremdartiger Schönheit, Sanftheit und Verwegenheit, deren Gesicht Pierre Brice war. Lange vor der Lektüre der Romane Karl Mays sah ich dessen Worte verkörpert auf dem Fernsehschirm, in der Bravo, auf großflächigen Postern an der Wand und bald auch leibhaftig, auf der Bühne der Festpiele in Elspe: das »herrliche, blauschimmernde Haar«, das »edle Gesicht« in »mattem Hellbraun mit einem leisen Bronzehauch«. Mit einem Weißen, einem Deutschen war er die tiefste, unauslöschlichste aller Freundschaften eingegangen, die Blutsbrüderschaft. War nicht auch ich nach Jahren der Treue – die Mädchen von nebenan hatten längst andere Interessen – ein Bruder im Blute des französischen Apatschen geworden?Abrupt hatte ich irgendwann keine Lust mehr. Im Rückblick eine seltsame, lang andauernde Phase des Überschwangs, der ziemlich besinnungslosen Idolatrie. Wie sehr gleicht sie wohl der Begeisterung der Deutschen in den 60er Jahren? Die Freundschaft zu dem edlen Indianer mit der milden Stimme und dem offenen Haar, besiegelt mit einer Vereinigung der Körpersäfte und mit Ewigkeitsschwüren – wie viel Schwules steckt darin? Bully Herbig weiß die Antwort. Wie viel kreuzbrave Innerlichkeit lässt sich im Fernsehsessel erleben, wenn der christlich erweckte Friedenskämpfer den Märtyrertod stirbt? Dass diese Filme, die in einem urdeutschen Wilden Westen spielten, der eigentlich in Kroatien lag, bevölkert mit sächsischen Schießbudenfiguren, die vielleicht größte aller populären Fluchten der deutschen Öffentlichkeit vor ihrer Vergangenheit waren, wurde mir spät erst klar. Alles doch reichlich unheimlich… Was für ein Glück, dass das Fantum des Teenies grundsätzlich ein unschuldiges ist, immer. Das große Album der Karl-May-Filme. Bd. 1 und 2. Hg. v. Michael Petzel. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, je 99,90 €
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| Anja Höfer Alles erfüllende Wärme Seltener Glücksfall: Michel de Montaignes Essay »Von der Freundschaft«
| Kerstin Carlstedt Das, was sie hatte Orgasmen, die die Welt bewegen: 20 Jahre »Harry und Sally«
| Jan Engelmann Mit Cape und Maske Obsessive Wahlverwandschaft: Der Vorleseband »Wundermeerschwein rettet die Welt«
| Harald Müller Fühlt euch wie zu Hause »Don’t mention the war«: Die BBC-Serie »Fawlty Towers«
| Felix Klopotek Nie dabei Das abwesende Zentrum der Revolution: »Radek« von Stephan Heym
| Robin Celikates Ganz richtig echt Symmetrie und Agonalität: Meister Eder und sein Pumuckl
| Arnd Pollmann Nikomachische Metrik Lass’ doch die andern reden: Aristoteles, van Dannen, Beckenbauer und die Höhner
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