Gute deutsche Filme gab es in den letzten Jahren einige. Doch der blieb an mir kleben. Und ich habe mich lange gefragt warum. Auf den ersten Blick kann man Der Wald vor lauter Bäumen als überzeichnet-schmerzhafte Komödie missverstehen, in der auf jede Peinlichkeit der tragischen Heldin Melanie Pröschle (grandios: Eva Loebau) eine noch größere folgt. Man kann den Film auch missverstehen als Kommentar zum Zustand der Schulen und des überforderten Lehrpersonals, zu dem die Hauptfigur zählt. Oder als Portrait einer jungen Frau, die loszieht und in der Fremde scheitert. Wir sprechen hier immerhin von einem Umzug von Esslingen nach Karlsruhe. Der Wald vor lauter Bäumen ist jedoch in erster Linie eine Studie über das Scheitern an der Freundschaft und damit über die Einsamkeit. Der Film seziert dieses Scheitern anhand der unterschiedlichsten Situationen und legt dadurch Mechanismen der Einsamkeit offen. Ein Teufelskreis. Jeder Schritt der Vereinsamung führt zu Verhaltensweisen, die weitere Vereinsamung nach sich ziehen. Auf Distanzierung folgt mehr Distanzlosigkeit. Auf Deutlichkeit mehr Missverstehen. Auf Flucht mehr Verfolgung. Auf Nüchternheit mehr Sehnsucht. Auf Abstoßung mehr Anziehung. Und umgekehrt. Der einzige Mensch, der in Person ihres Lehrer-Kollegen Interesse an Melanie Pröschle zeigt, ist für sie genau die nervende Person, die sie selbst für andere darstellt.Auch wenn uns diese Sachverhalte vielleicht zu plastisch vorgeführt werden und so der Zuschauer unnötig auf Distanz gehalten wird, lauert doch an jeder Ecke eine Begegnung mit den eigenen Gespenstern. Der Blick in den eigenen Abgrund: das ist der wahre Horror dieses Films. Der Wald vor lauter Bäumen ist auch ein Film über die Prägung der Menschen in Schwaben und Baden, speziell in Karls¬ruhe. Das Idiom, der Wortschatz, die Gesten, das Milieu – man könnte meinen, dieser Horror ist nur dort zu haben. Doch wundert es nicht, dass Maren Ades Abschlussfilm an der HFF München auf zahlreichen internationalen Festivals von Toronto über Vancouver bis Sundance Erfolge feierte. Der Film spricht bei allem Lokalkolorit eine universelle Sprache der Einsamkeit in Bildern und Szenen.