Fargo (Staffel 2) - Mistress America - The Big Short Experte ist kein Ausbildungsberuf, folglich gehört ein Stück Selbstbehauptung dazu. Eine der schönsten Selbstbehauptungsfiguren in jüngerer Zeit war Karl Weathers, von Nick Offerman gespielt, der in der zweiten Staffel von Fargo formal als lokaler Anwalt von Luverne, Minnesota, erscheint. Tatsächlich tritt er zuerst als paranoider Alleserklärer beim abendlichen Bier in der zukunftsselig ausgestatteten Bar des Ortes in Erscheinung, wo zu seinem Publikum vor allem der Automechaniker Sonny gehört; manchmal auch der örtliche Polizist Lou Solverson (Patrick Wilson). Der Überschuss an rhetorischen Fähigkeiten (und der Lust daran, sie vorzuzeigen) qualifiziert Weathers zum Bescheidwisser für alles. Wobei es bemerkenswert ist, wie Schauspieler und Setting die Figur ausbalancieren als einen sympathischen Maulhelden. In seiner wichtigsten Szene wird Karl Weathers in das von der grimmig-brutalen Gerhardt-Familie belagerte Polizeirevier geschickt, ein Moment, in dem die Ohnmacht des Gesetzes gegenüber einem zum Lynchen bereiten Mob offensichtlich ist. Weshalb der betrunkene Welterklärer die Vorstellungen von einem instanten Problemlöser, dem richtigen Mann für den richtigen Augenblick, unterläuft. Er dient sich, gestützt durch sein Können zu reden, in aller Verzweiflung des maulheldenhaften Feiglings, dem Gerhardt-Mob als Anwalt für das inhaftierte Familienmitglied an (»Hold on now. We're allies. Like Ho Chi Minh and the Red Chinese«) - und befriedet damit die Situation. Karl Weathers ist, in Ermangelung anderen Personals, der Mann für die aussichtslosen Situationen. In einer späteren Folge wird Lou Solverson ihn und Sonny bitten, sich um seine kranke Frau und die kleine Tochter zu kümmern, als der Polizist aufbricht in die finale Schlacht des Gang-Krieges, in den er geraten ist. Auch hier erscheint Weathers nicht als der beste Mann (in dem Sinne, dass er wehrhaft genug wäre, das Haus der Solverson-Familie zu verteidigen), aber als der richtige, der das Umsorgen von Frau und Kind mit der nötigen kommunikativen Expertise übernimmt.
Eine Karl Weathers verwandte Figur ist Greta Gerwigs Brooke in Mistress America, insofern sie als Expertin des Alltags erscheint, als New-York-Bewohnerin, die mit allem sozialen und urbanen Wissen vertraut ist. Zumindest erscheint sie derart strahlend aus der Perspektive der 18-jährigen Tracy (Lola Kirke), die gerade zum Studium nach New York gekommen ist und orientierungs- und bindungslos nach ihrem neuen Leben sucht. Tracys Mutter will Brookes Vater heiraten, was die beiden zu Stiefschwestern machen wird - und Brooke zur Hauptfigur für Tracys erste literarische Versuche. In Wahrheit kann Brooke nur in der Fiktion strahlen, wie das melancholische Ende von Mistress America verdeutlicht: Alles zur Schau gestellte Wissen über den nächsten Lifestyle-Trend oder die aktuell erforderliche Restaurantform erweist sich vor den ökonomischen Realitäten als Geschwätz. [...]