Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #20: Expertokratie




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial


VERMITTELN

 
Carl Friedrich Gethmann
Macht und Befreiung
Wissenschaftliche Politikberatung in Deutschland
 
Thomas Biebricher
Die Nonchalance der Kommission
Technokratie in der Krise
 
Rudolph Speth
Lasst uns nur machen
Demokratieverlust durch Expertokratie
 
Ulrike Meyer
Politik mit Tarnkappe
Warum Demokratie Werte statt Wahrheit braucht
 
Jan Engelmann
Wahrheit ist Arbeit
Wikipedianer als Fehlerfinder
 
Oliver Lepsius
Eine Super-Nanny?
Das Bundesverfassungsgericht als Garant eines [Text Text Text Text Text Text Text]
 
 

Interview Gabriele Dietze

Sexualität und Wahrheit


Nirgendwo wird die »Wissenschaftlichkeit« wohl stärker problematisiert als im Bereich der Genderforschung. Ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin und Gender-Theoretikerin Gabriele Dietze über das Selbstverständnis der gender-studies als »kritische Wissenschaft«.

polar: »Feminismus ist keine Frage des Glaubens, sondern eine Antwort auf Statistiken,« so zitiert Sabine Hark im aktuellen Fluter die Journalistin Ingrid Kolb. Wenn das so ist, warum wird gerade den Gender Studies wissenschaft­liche Legitimität und Autorität abgesprochen?

Dietze: Wenn man über Statistiken redet, redet man über Ungleichheit von Männern und Frauen in Jobs, Gehalt, Rente, Lebensalter etc. Männer und Frauen werden in diesem Zusammenhang als zwei Statusgruppen begriffen, deren ›natürlicher‹ Unterschied nicht angezweifelt wird. Wenn wir aber von ›Gender‹ sprechen, dann gehen wir davon aus, dass das, was als weiblich und männlich verstanden wird, eine Frage der Zuschreibung und der sozialen Konstruktion ist. Damit sagen wir gleichzeitig, das Geschlechterverhältnis könnte auch anders konfiguriert sein, als man es im Moment vorfindet. Der Kampf gegen Gender Studies nährt sich also aus dem Verdacht, dass man dort an einer Revolutionierung der Geschlechterverhältnisse arbeitet. Damit geriete die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die im Moment noch als vollkommen normal angesehen wird, in Gefahr, nämlich dass Frauen den Löwenanteil an Hausarbeit, Kinderversorgung, Altenpflege und emotionaler Stabilisierung der Familie leisten. Deswegen berührt die Annahme, Geschlecht sei keine natürliche Tatsache, sondern eine soziale Konstruktion, die historisch und kulturell geworden und deshalb auch wandelbar ist, ganz andere Konfliktfelder als Ungleichheits-Statistiken.

polar: Gegenwärtig formiert sich der sogenannte Anti-Genderismus als eine Bewegung, die gegen Gender-Forschung als alternatives Wissensmodell auftritt. Zuletzt wurden Gender Studies vermehrt auch in bürgerlichen Leitmedien und von Wissenschaftlern als Politik und Ideologie abgetan, die nicht wissenschaftlich sei. Welche Rolle spielt die Selbstautorisierung innerhalb dieses Spannungsfeldes zwischen aktivistischen und politischen Praxen und kritischer Wissenschaft für einen selber als Forscherin?

Dietze: Ich will die Frage mal anders stellen: Wissenschaft, die sich als angeblich neutral ausgibt, ist ja nicht neutral. Das heißt, die meisten Ansätze, die über Menschen reden, tun ja so, als gäbe es keine zwei Geschlechter. Ihre ›Neutralität‹ besteht ja implizit darin, dass sie eigentlich nur über Männer reden. Deswegen hat es eine gewisse Perfidie, dass diejenigen, die darüber reden, dass Menschen als weiblich und männlich konstruiert werden, und dass das ein Machtverhältnis ist, angeblich nicht wissenschaftlich sein sollen. Insofern kann ich mich gar nicht darauf einlassen, zu sagen, dass man, wenn man über Gender nachdenkt, parteilich oder politisch ist, und dass man, wenn man nicht über Gender nachdenkt, neutral ist. Und jetzt zur Frage, dass Gender Studies keine Wissenschaft sein könne, da sie ja politisch sei. Man würde keinen Politologieprofessor, der der SPD, den Linken oder den Grünen zugeneigt ist, vorwerfen, dass seine Analysen sich mit Verteilungsgerechtigkeit beschäftigen und einen ›linken‹ Touch haben. Man wirft aber Frauen, die Gender Studies betreiben und mit der feministischen Bewegung verbunden sind, vor, dass sie Frauenpolitik machen. [...]


 
Thomas Hoffmann
Verschwörungstheorien
Wenn aus vernünftiger Sinnstiftung prekärer Nonsense wird
 
Hans Peter Peters
Zwickmühle des Wissens
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im öffentlichen



VERMUTEN

 
Rainald Goetz
Spekulativer Realismus
 
Maurizio Ferraris
Manifest des neuen Realismus
Ein Auszug
 
Annika Bender
Spektakulärer Realismus
Kunstkritische Anmerkungen zum Spekulativen Realismus
 
Thomas Schramme
Wenn Philosophen aus der Hüfte schießen
Die Untiefen angewandter Ethik
 
Ludger Schwarte
Wahrheit in Bildern
Das Unvordenkliche zeigen
 
Michael Eggers
Echt jetzt.
Die neue Wirksamkeit der Künste und Medien
 
Achim Geisenhanslüke
Ein schwieriges Verhältnis
Ãœber Literatur und Wahrheit
 
Peter Siller
Mein halbes Jahr: >Comic<
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
 
Johanna-Charlotte Horst
Mein halbes Jahr >Literatur<
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr >Film<



VERHANDELN

 
Peter Siller
Der Streit um das Allgemeine
Parteien als entscheidende Institution in der demokratischen
 
Michael Koß
Demokratische Nebenwirkungen
Gibt es eine Krise des Parlamentarismus?
 
Stefan Huster/Bertram Lomfeld/Arnd Pollmann/Peter Siller
Ist es links?: >Wahrheit<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Die Sache mit Hitler<



SCHÖNHEITEN

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