Für Fahrten zwischen Islamabad und Lahore nimmt man am besten den Fernbus. DAEWOO-Express. Südkoreanische Firma, verlässlich, günstig, halbwegs pünktlich, Pinkelpause auf halber Strecke, und von Zeit zu Zeit kommt eine Stewardess zum Platz und verteilt Kopfhörer, Mayo-Sandwiches, Limo, Cola und Wasser. Wenn man Glück hat, sitzt man neben netten Leuten. Als Europäerin wird man dann ausgefragt: Familienstand, Kinderzahl, was man mache in Pakistan, wie man es finde. Vor ein paar Monaten lernte ich auf diese Weise einen Redakteur kennen. Einen freundlichen Herrn in westlicher Kleidung, zuständig für den Hauptstadtteil einer der wichtigen englischsprachigen Tageszeitung. Ich solle für ihn schreiben, meinte er, nachdem ich erzählt hatte, was ich im Land mache und dass es mir gut gefalle. Wodurch ich diese Ehre verdiene und was ihm thematisch vorschwebe, wollte ich wissen. Was immer ich wolle, sagte er: Bildungsmisere, ökologische Krise, dies oder das. Dass ich gar keine Pakistanspezialistin sei, wendete ich ein. Aber das war ihm egal. Schließlich bin ich Europäerin, und damit offenbar Expertin für alles, zumindest aber Expertin genug. Ich würde drüber nachdenken, sagte ich. Dann, quasi schon im Vertrauen, wechselte er das Thema. Die Rede vom Holocaust sei eine Übertreibung, meinte er. Das sehe ich doch sicher auch so? Er war erstaunt, und es schien ihm etwas peinlich, als ich deutlich verneinte. Die Sache mit Hitler ist heikel in Pakistan. Dauerthema deutscher Expats. Denn die werden ständig auf ihn angesprochen. Freundlich, und gut gemeint. So als würde man die Qualität des deutschen Fußballs loben, oder des deutschen Biers. Fußball aber ist nicht so wichtig in dem Land, und über Bier wird nicht offen gesprochen, denn das gibt es für die muslimische Mehrheitsbevölkerung allenfalls unter der Hand - und dann vor allem das in Rawalpindi gebraute Murree, auch so eine Sache, denn die Brauerei wurde 1860 gegründet, um den Bierdurst der britischen Kolonialsoldaten zu löschen. Als Symbol für Deutschland bleibt also irgendwie Hitler. Selbst mancher Masterstudent sieht vor allem einen großen Feldherrn in ihm; und unterstellt, dass man diese Einschätzung selbstverständlich teile. In aufgeklärteren Kreisen ist man hierüber bestürzt; zugleich taucht Hitler dort zuweilen als Sinnbild herrischen Verhaltens auf. »Sie ist der Hitler im Haus«, sagte eine Genderexpertin der Weltbank bei einem Treffen feministischer Wissenschaftlerinnen beiläufig über ihre Mutter. Die Expertin schreibt nebenbei autobiografische Kurzgeschichten, und die Erfahrungen ihrer Mutter bei der indisch-pakistanischen Teilung sind Thema eines dieser Texte. Eine linke Politaktivistin entschuldigte sich am Nachmittag des 1. Januar beim Tee in der Sonne für ihre »hitlerhafte« Entscheidung, just für diesen Tag eine öffentliche Diskussionsveranstaltung angesetzt zu haben, obwohl ihre feierwilligen Diskutantinnen im Vorfeld versucht hatten, sie umzustimmen - der Tee wurde getrunken, nachdem fast kein Publikum kam und man sich für Vertagen der Vorträge und unmittelbares Teetrinken entschieden hatte. Die deutschen Expats irritiert so etwas: Die Verniedlichung Hitlers zur Alltagsmetapher, mehr aber natürlich der positive Bezug auf den vermeintlich großen Feldherren. [...] |