Demokratie ist mehr als der Kampf zwischen unterschiedlichen Einzel- oder Gruppeninteressen. Ihre Kraft liegt in der öffentlichen Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Auffassungen des Allgemeinen, des Gerechten, und damit des gegenüber Allen Rechtfertigbaren. Ein demokratischer Streit in diesem Sinn lässt sich ohne die gemeinsame Annahme einer Wahrheit im Sinne eines allgemein Richtigen gar nicht führen. Entgegen dem Verdruss und den Abgesängen sind es die Parteien, denen als Institution die Aufgabe zukommt, diese Auffassungen zum Zwecke der allgemeinen Gesetzgebung zu bündeln, ins Gespräch zu bringen und in legislative Entscheidungen zu überführen. Wer sonst sollte jene grundlegenden politisch-weltanschaulichen Alternativen formulieren, die aus der Demokratie überhaupt erst einen Raum der Möglichkeiten machen, anstatt sie in einer Rhetorik des Sachzwangs verkümmern zu lassen? Es ist überfällig, der aktuellen Renaissance des Parteienressentiments zu begegnen, das gerade in Deutschland eine lange, unselige Geschichte hat. Gleichzeitig gilt es, die Parteien an ihre spezifische Aufgabe zwischen Gesellschaft und Legislative zu erinnern, an der sie sich messen lassen müssen. Einmischung statt Abwendung
Die Parteien stehen mit der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte als Institution unserer Demokratie in mehrfacher Hinsicht unter Druck: Sie tun sich ausgesprochen schwer, ein Spektrum unterschiedlicher politisch-programmatischer Orientierungen zu eröffnen und damit erst einen Raum der demokratischen Entscheidung zu schaffen. Damit einher geht oftmals der Verlust streitbarer Diskurse in und zwischen den Parteien - als Impulsgeber gesellschaftlicher Diskurse wie als Grundlage argumentativer Aushandlungsprozesse. Schließlich sinkt die repräsentative Kraft der Parteien, die Überzeugungen und Interessen aus den verschiedenen Schichten und Milieus gleichermaßen aufzunehmen und in Orientierungsvorschlägen zu bündeln. [...]