Ohne Experten und ihr Wissen geht heute nichts mehr, in keinem gesellschaftlichen Bereich. Überall sind Experten anzutreffen und fordern für ihr Wissen Respekt und Anerkennung ein. Die Modernisierung der Gesellschaft und der Politik bringt den Trend zur Spezialisierung mit sich. Wer etwas will und kann, der gibt sich als Experte für sein Thema aus. Expertise ist heute längst nicht mehr auf die Wissenschaft und eine kontrollierte Weise der Erzeugung von Wissen reduziert. Expertise und Expertentum sind eine Form der Behauptung von Kompetenz und Zuständigkeit für einen bestimmten Wissensbereich. Insofern können wir von einer »Herrschaft der Experten« sprechen. Experten müssen kontrolliert werden, denn jedes Wissen ist perspektivisch, d. h. es gibt kein neutrales Wissen. Jedes Wissen wird unter bestimmten Bedingungen erzeugt und dazu gehört auch, dass damit Interessen verbunden sind. Ein »interesseloses Wissen« - von dessen Existenz sind immer weniger überzeugt. Der Trend zu Spezialisierung und das Auftreten von Experten haben auch Auswirkungen auf das Verständnis und die Praxis von Demokratie. Denn demokratische Meinungsbildung und Entscheidungen vollziehen sich unter Zuhilfenahme von Expertise. Politische Forderungen werden von Experten vorgebracht. Die Meinung des »einfachen« Bürgers wird zwar noch in Wahlen erfragt, doch wenn es um die Vorbereitung und Ausgestaltung von politischen Entscheidungen geht, dann werden immer häufiger Experten herangezogen. Dies macht sich auf allen politischen Ebenen und in vielen politischen Bereichen der politischen Beteiligung bemerkbar. Ist aber auch alles so kompliziert
Auf der nationalen Ebene kommt Politik nicht mehr ohne den Rat der Experten aus. Bei jeder Gesetzgebung werden in Berlin wissenschaftliche Gutachten eingeholt, weil auch Abgeordnete nicht mehr »alles« wissen können. Wichtiger noch: Viele Themen sind so kompliziert geworden, dass man sie ohne den Rat der Experten kaum mehr durchdringen kann. Beispiele dafür gibt es genügend. Bei den Reformen des Gesundheitssystems in den letzten Jahren wird der Rat von Gesundheitsökonomen und anderen Wissenschaftlern benötigt, weil ohne diesen Rat kaum mehr eine Gesetzgebung möglich ist. Eine Vielzahl anderer Bereiche lässt sich nennen: Sozialpolitik, Finanzpolitik, Umweltpolitik und Verbraucherschutz. Überall werden Gutachten eingeholt, weil das »normale« Wissen der Abgeordneten und auch der Ministerialbeamten nicht ausreicht. Nach Peter Weingart und Justus Lentsch, die zu diesem Thema ein großes Projekt an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt haben, benötigt jede politische Entscheidung eine zweifache Legitimation: Sie muss die Mehrheit des Parlaments erringen (die traditionelle Form politischer Legitimation), und sie muss mit Hilfe des besten verfügbaren Wissens getroffen werden (Legitimation durch Expertise). [...]