L'univers crie.
Michel Houellebecq
Ich versuche gerade, Luhmann dafür zu gewinnen, das letzte Buch, von dem ich immer träume, er hätte es nach der »Gesellschaft der Gesellschaft« noch geschrieben, doch noch zu schreiben: »Der Mensch der Gesellschaft«. Aber Luhmann will nicht, er kann nicht, er findet die Idee abstoßend und falsch, sei außerdem tot, er habe insgesamt genug geschrieben, auch dazu. Das stimmt, stellt aber meine Sehnsucht und die Argumente, die ihr zuarbeiten, nicht ruhig. Die Sehnsucht entnehme ich dem Luhmannschen Denken im Mensch-Kapitel in den »Sozialen Systemen«, wo exakt in der Mitte des Buchs, im Kapitel 6, unter dem wenig schönen, bildlich irreführenden, gewalttätigen Parsons-Begriff »Interpenetration« die Fragestellung aufgeworfen, hin- und hergewendet, aber nicht wirklich beantwortet wird, wie der Mensch im Verhältnis zum sozialen System zu denken sei. Luhmann ist an dieser wichtigen Stelle der Theorie primär mit der Abwehr alter Vorstellungen befasst, später hat sich diese Haltung noch verhärtet, das behindert Luhmanns sonst so übersprudelnde Theoriekreativiät. Und dann kommen meine, seine Ideen eventuell weiterführenden Vorstellungen, aber, ganz abgesehen davon, dass ich gar nicht kohärent theoretisch denken kann, die Wahrheit ist ja vor allem: obwohl ich mit Luhmann spreche, spricht er doch nicht mit mir. Er schweigt. Er ist TOT. Ich versetze mich also in ihn hinein, dazu bringt mich sein todbedingtes Schweigen, und halte mir das entgegen, was er mir aus seiner Sicht möglicherweise entgegenhalten würde. Spekulation, reine Spekulation, nein, angewendete, den Geist Luhmanns auslegende Spekulation. In ähnlicher Weise debattiere ich immer noch und immer wieder mit Wolfgang Herrndorf über die finale Falschheit seiner Selbsttötung durch Selbsterschießung und sammle Argumente gegen das von ihm in seinem jetzt als Buch veröffentlichten Blog »Arbeit und Struktur« zur Erklärung seiner Tat Vorgebrachte, Ideen und Haltungen, die, obwohl unter Leuten, die cool sein möchten, weit verbreitet, einfach nur falsch und scheußlich und schrecklicher Unsinn sind. [...]