Kaum ist der Fernseher eingeschaltet, schon fällt unser Blick auf das Elend, das Thomas Rietzschel in seinem Sachbuch hintergründig beschreibt. Nicht, wer Ahnung von seiner Materie hat, wird mit Macht und Erfolg belohnt, sondern diejenigen, die sich selbst und Anderen am besten vormachen können, alles im Griff zu haben. Dabei findet der promovierte Journalist eine Menge guter Beispiele aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Entertainment. Dilettanten in Rietzschels Sinn sind lediglich Nachahmer. Sie wollen das sein, was ihnen bei Anderen gut gefällt. Sie interessieren sich nicht für die Sache, sondern wollen sich in dem, was sie schön finden, spiegeln. Als ein Beispiel führt der Autor Guido Westerwelle an, der in dem Moment, in dem er Außenminister wurde, anscheinend nicht mehr wusste, was er mit dem Amt anfangen sollte. Westerwelle wollte Außenminister sein, so Rietzschel, er wollte die Rolle des Außenministers spielen. Er hatte aber kein Konzept und gab eine unwürdige Performance ab. Die tatsächlich Wissenden seien vom Zweifel geplagt, sagt Rietzschel, und dadurch oft gehemmt, weil sie wissen, was schief gehen könnte. Der Dilettant hingegen macht Dinge einfach, gerade weil er von der Sache nichts versteht. Auf diese Weise hätten Helmut Kohl und François Mitterand den Euro geschaffen, kritisiert der Autor. Beide seien keine Finanzpolitiker gewesen. Rietzschels Sachbuch ist kenntnisreich, unterhaltsam und - obgleich im Jahr 2012 veröffentlicht - immer noch aktuell. Viele »seiner« Dilettanten sind von der Bildfläche abgetreten, aber die Folgen ihres Handelns beschäftigen uns immer noch. Hinzu kommt, dass die Skandale von heute wie »Dieselgate« bei Volkswagen und die Millionen-Schmiergeldzahlungen bei der FIFA ohne Selbstüberschätzung und Dilettantismus wohl nicht möglich gewesen wären.