Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #18: Politik der Lebensformen




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial



AUSWEG

 
Rahel Jaeggi
Experimenteller Pluralismus
Lebensformen als Experimente der Problemlösung
 
Stefan Huster
In Freiheit leben
Die transformative Kraft einer liberalen Ordnung
 
Peter Siller
Macht es nicht selbst!
Vom Rückzug des Politischen ins Private geschlossener Lebensformen
 
Anna-Catharina Gebbers
Leben als Gesamtkunstwerk
Wagner – Beuys – Schlingensief
 
Lauren Berlant
Grausamer Optimismus
Warum Fantasien des guten Lebens scheitern
 
Thomas Schramme
Die Formung des menschlichen Lebens
Nachdenken über Mills Idee der Lebensexperimente
 
Christian Neuner-Duttenhofer
Abgetaucht
Warum wir politisch an uns selbst scheitern



ALLTAG

 
Stephan Lessenich
Alles so schön jung hier?
Lebensführung im Alter
 
Wolfgang Kaschuba
Schnelle Fluchten
Vom Umgang mit der Zeit
 
Alexandra Deak/Arnd Pollmann
Marinieren, Tranchieren, Ignorieren
Der exorzistische Kult ums Essen
 
Johanna Gonçalves Martín
Leben geben
Geburten in Amazonien und im Westen
 
Arnd Pollmann/Bertram Lomfeld/ Stefan Huster/Peter Siller
Ist es links? >Veggieday<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Die Leiter zum Eigenheim<
 
Ulrike Martiny
Straßenreiniger und Müllwerker
Wenn Flexibilisierung auf Familialisierung trifft
 
Tatjana Hörnle
Am Beispiel des Niqab
Zu den rechtlichen Grenzen von Lebensformen
 
Michael Eggers
Wie spricht man über die Einrichtung des Alltags?
Zur undeutlichen Evidenz der Literatur
 
Julia Roth
It’s fucking political!
Die notwendige Kritik normativer Lebensformen
 
Kerstin Carlstedt
Warenhaus Hamburg
Mit Martin für einen Euro sechzig unterwegs
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Wir leben, und sind nicht allein<
 
Johanna-Charlotte Horst
Mein halbes Jahr: ›Literatur‹
Franz Kafka – Michel Leiris – Gilles Deleuze
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: ›Musik‹
Von Spar – Der Mann – Erfolg
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: ›Film‹
Boyhood – Monsieur Claude und seine Töchter – Honig im Kopf



AUTONOMIE

 
Christoph Menke
So sind sie – So leben sie
Autonomie und Befreiung
 
Christian Berkes
Airbnb, Wohntourismus
20 Thesen zum Plattformkapitalismus am konkreten Fall
 
Viktor Tóth
Techno als Lebensform?
Ein Selbstexperiment
 
 

Martin Saar

Bildpolitik: >Heimatschutz<


Seit dem Herbst 2014 wachsen die Demonstrationen der Dresdener PEGIDA-Bewegung; inzwischen finden sich Nachahmer-Initiativen auch in anderen deutschen Großstädten. Der Name ist Programm, diverse knappe Onlinemanifeste flankieren ihn mit Forderungen, aber noch bleibt die politische Festlegung relativ vage. Dies ist sicher auch eine Strategie, um die instabile Allianz zwischen bekanntermaßen kriminellen und dem Hooligan-Milieu nahestehenden Personen und eher friedlichen, aber enttäuschten und durchaus mobilisierbaren Bürgern nicht durch allzu anstößige Signale zu gefährden. Das am häufigsten wiederkehrende Banner auf den Demonstrationen und auf den Internetseiten ist sehr einfach aufgebaut und an ein bekanntes Symbol der ideologisch genau entgegengesetzten Antifa-Bewegung angelehnt. Diese hatte seit den 1980er Jahren das In-den-Papierkorb-Werfen des Hakenkreuzes, oft mit dem Satz »Gib Nazis keine Chance«, zum wirkungsvollen Zeichen gemacht. PEGIDA kontert damit, bildlich gleich noch die Symbole der Antifa selbst, die Parteiflagge der (in Deutschland verbotenen) kurdischen Arbeiterpartei PKK und das Banner des »Islamischen Staats« hinterher- und damit wörtlich in denselben Topf zu werfen.

Es bleibt das Problem, dass, wer zeigen will, was er ablehnt und verwirft, ebendies zugleich zitieren muss; juristisch gesehen gerät diese Darstellung (wegen des Hakenkreuzes) deswegen in die Nähe der Verfassungswidrigkeit. Das Ergebnis hier ist eine zwar ikonisch einprägsame, inhaltlich aber verwirrende Geste der radikalen Ablehnung scheinbar aller politisch radikalen Positionen gleichermaßen, die sich ja nicht einmal alle auf die im Namen der Bewegung viel eindeutiger benannte »Islamisierung des Abendlands« beziehen lassen. Diese Unstimmigkeit spiegelt auch die ideologische Selbstpositionierung PEGIDAs: angeblich weder links noch rechts, sondern gegen jede und vor allem eine importierte Radikalität zu sein, vorgetragen im Modus der Dringlichkeit und Empörung und zum Schutz der eigenen Lebensform, die als bedroht dargestellt wird. Politik von unten bedeutet hier Selbstverteidigung einer ›einheimischen‹ ›Normalität‹, auch an den angeblich hilflosen politischen Institutionen vorbei. Es bleibt zu befürchten, dass der Wille zur Reinigung und der Furor des Ausmistens nicht ganz so schnell befriedigt sein werden und dass der Mülleimer noch lange nicht voll ist, auch wenn es auf diesem unglücklichen Zeichen so aussieht. 



SCHÖNHEITEN

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