





polar #18: Politik der Lebensformen
EDITORIAL
AUSWEG
Rahel Jaeggi Experimenteller Pluralismus Lebensformen als Experimente der Problemlösung
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Stefan HusterIn Freiheit lebenDie transformative Kraft einer liberalen Ordnung | Wie man leben will, ist zunächst einmal eine Frage, die jeder Einzelne sich stellen und für sich beantworten muss. Öffentliche Bedeutung erlangen Lebensformen erst, wenn sie sich auf das Zusammenleben und vor allem auf die politische Ordnung auswirken. Dann gibt es allerdings zumindest in Deutschland einen klaren Grundton der Diskussion: Auch und gerade die freiheitliche und demokratische Ordnung sei auf »entgegenkommende Lebensformen« angewiesen. Man kann dann fragen, was die Gesellschaft zusammenhält, was ihre Bindungskräfte und Ligaturen sind und wie die Zauberformeln sonst noch heißen mögen. Irgendwie soll in den Lebensformen ein normativer Gehalt schlummern, der aller Politik voraus- und zugrundeliegt. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang der Satz des bedeutenden Rechtswissenschaftlers und früheren Verfassungsrichters Böckenförde, der freiheitliche Staat lebe von Voraussetzungen, die er nicht garantieren könne, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben. Diese Einsicht hat etwas von einem Dilemma: Wir »brauchen« die richtigen Lebensformen, die Toleranz, demokratisches und soziales Engagement, Freiheit und Gleichheit und die politischen Institutionen unterstützen, aber wir können das nicht erzwingen, weil in einer freiheitlichen Ordnung jeder selbst entscheiden darf, wie er leben will.
Lebensformen reagieren auf ihre Umwelt Nun ist die These, dass fundamentalistische religiöse Lebensformen, rassistische Überzeugungen oder ein brutaler materialistischer Egoismus als Lebenseinstellung mit einer demokratischen, sozialen und freiheitlichen politischen Ordnung nicht kompatibel sind, nicht von der Hand zu weisen. Aber es ist auffällig, wenn auch wenig beachtet, dass diese Diskussion weithin nur in eine Richtung blickt: Sie fragt, wie sich unterschiedliche Lebensformen auf das Zusammenleben auswirken und ob und wie sie eine freiheitliche politische Ordnung abstützen. Lebensformen bekommen dadurch etwas statisches: Sie sind eben da und so, wie sie sind; manche »passen«, andere nicht. Dabei dürfte massiv unterschätzt werden, dass Lebensformen sich ändern können und dies auch permanent tun - und zwar auch und gerade unter dem Einfluss der politischen Rahmenbedingungen. Die freiheitliche Ordnung übt nämlich erhebliche Wirkungen auf ihre Entwicklung aus; Lebensformen passen sich an, stellen sich quer oder finden einen Mittelweg - jedenfalls reagieren sie auf ihre Umwelt. [...] |

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| Thomas Schramme Die Formung des menschlichen Lebens Nachdenken über Mills Idee der Lebensexperimente
| Christian Neuner-Duttenhofer Abgetaucht Warum wir politisch an uns selbst scheitern
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ALLTAG
AUTONOMIE
SCHÖNHEITEN
Thomas Biebricher Kraaaaaah Von Vögeln und Menschen: Pete Docters Oben
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| Franziska Humphreys Eltern an der Macht Eine Art Selbstrekrutierung: Vom Kinderladen zur crèche parentale
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| Arthur Lochmann Nicht gestattet Lebensform und Bestrafung: Foucaults La Société Punitive
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