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Die Frauen der Yanomami bringen ihre Kinder alleine zur Welt. Helfen lassen sie sich höchstens von weiblichen Familienangehörigen bei ihrer ersten Geburt oder von Schamanen, falls etwas schief gegangen ist. Die Geburt als solche ist ebenso wenig gefährlich wie die Schwangerschaft. Der Geburtsvorgang ist ein sozialer Akt des Übergangs. Bei uns dagegen muss eine gute Geburt sauber und sicher sein, betreut von medizinischem Personal in weißen Kitteln unter Einsatz moderner Gerätschaften. Ein Bericht zwischen den Kulturen.
Wenn die Geburtswehen einsetzen, verlassen die Frauen der Yanomami das Haus durch den Hintereingang und begeben sich an einen ruhigen Ort, normalerweise in der Nähe des Gartens. Hier suchen sie eine bestimmte Palmenart und lehnen sich gegen den Baum. Sie legen einige Palmenblätter auf dem Boden aus, gehen in die Hocke und beginnen zu gebären. Sie dürfen nicht zu laut sein, sonst könnten Geister des Waldes aufmerksam werden und die Seele des Kindes stehlen.
Unmittelbar nach der Geburt reinigt die Mutter das Kind und untersucht es. Zwar lieben Yanomami Kinder, doch ist die Menschlichkeit eines Kindes nicht selbstverständlich, sondern muss festgestellt werden. Bei der Entstehung mancher Kinder wirken gefährliche Geister oder seltsame Geschöpfe mit, die sich des Fruchtbarkeitspotenzials der Mütter bemächtigen. Je nach Geschlecht begraben Mütter die Plazenta oder hängen sie auf. Schließlich trägt die Mutter das Baby in das Dorf. Hier erlangt das Kind im Rahmen einer langwierigen Zeremonie seine endgültige Menschlichkeit.
Dazu sitzt die Mutter auf einem Holzscheit zwischen ihrer Hängematte und der Feuerstelle. Sie stillt das Neugeborene und wärmt ihre Hände am Feuer, um die Haut des Kindes warm zu streicheln. Das Kind wird zu keinem Zeitpunkt vom Körper der Mutter getrennt; tagsüber trägt sie es in einer Schlinge und nachts schlafen beide in der Hängematte. Der Körper des Kindes ist noch schwach und seine Seele anfällig. Ständiger Körperkontakt trägt zur Festigung seiner Haut bei, verbirgt seinen Geruch und hält es still, damit keine Geister angelockt werden. Vater und Mutter müssen einen Teil ihrer Mobilität und Ernährungsgewohnheiten aufgeben. Die ganze Prozedur dient dem Schutz des Kindes vor gefährlichen Geistern oder Substanzen.
Für die Yanomami sind Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindespflege nicht per se gefährlich, sondern transformative Momente, in denen die Persönlichkeit des Kindes und der gesamten sozialen Gruppe besonders anfällig sind. Sollte es in dieser Phase zu einer Interaktion mit gefährlichen Geschöpfen kommen, könnte dies zu Krankheit und Tod führen. Für die etwa 30.000 im Regenwald zwischen Venezuela und Brasilien lebenden Angehörige der Yanomami ist jedes Geschöpf, vom Menschen bis zum Stein, lebendig und hat eigene Lebensweisen und Kräfte. Schamanen sind in der Lage, die unterschiedlichen Beziehungen zwischen einzelnen Geschöpfen zu erkennen und Konflikte zu lösen, somit Krankheiten zu heilen. Dennoch gibt es im Land der Yanomami auch einige verstreut lebende, praktizierende Ärzte. Zwar glauben die Yanomami nicht an die biomedizinische Sicht auf Krankheiten, doch besorgen sie sich hier Medizin, mit der sie bereits gute Erfahrungen gemacht haben. [...] |
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