Eine Beziehung des grausamen Optimismus liegt vor, wenn etwas, das man begehrt, in Wirklichkeit ein Hindernis für das eigene Wohlergehen ist. Dabei kann es sich um Essen oder eine Art von Liebe handeln; um eine Fantasie des guten Lebens oder ein politisches Projekt. Eine solche Beziehung kann auch in etwas Einfacherem begründet sein, etwa einer neuen Gewohnheit, die eine bessere Seinsweise zu eröffnen verspricht. Optimistische Beziehungen dieser Art sind nicht an sich grausam. Sie werden es nur dann, wenn das Objekt der Bindung aktiv das Ziel untergräbt, um dessen willen man sich ihm ursprünglich zugewendet hatte.
Alle Bindungen sind optimistisch, wenn wir Optimismus als Kraft verstehen, die Menschen über sich hinaus- und in die Welt hineintreibt, um dem befriedigenden Etwas näherzukommen, das man nicht selbst produzieren kann, das man aber im Umfeld einer Person, Lebensweise oder Szene, eines Objekt, Projekts oder Begriffs erahnt. Optimismus muss sich jedoch nicht optimistisch anfühlen. Da Optimismus ambitioniert ist, kann er sich zu jedem Moment ganz unterschiedlich anfühlen, auch wie nichts: Scheu, Angst, Hunger, Neugier, die ganze Bandbreite vom listig-neutralen Herumwandeln bis zur Aufregung angesichts »des kommenden Wandels«. Oder auch des Wandels, der ausbleibt: Eine der gewöhnlichen Freuden des Optimismus ist gerade die Verleitung zur Konventionalität. Hier gewinnen Begierden innerhalb der erwartbaren Behaglichkeit der Genres des guten Lebens Gestalt, die eine Person oder Welt zu formulieren beschlossen hat. Optimismus manifestiert jedoch nicht einfach eine Absicht, dumm oder einfältig zu werden - oft ist die Bereitschaft, das Risiko einer Bindung einzugehen, Zeichen einer jenseits der rationalen Berechnung liegenden Intelligenz.
Worin auch immer die Erfahrung des Optimismus im Einzelfall bestehen mag, die affektive Struktur optimistischer Bindungen umfasst die stabile Tendenz, zu jener Fantasieszene zurückzukehren, die einen glauben macht, die Nähe zu einem bestimmten Objekt werde einen selbst oder die Welt dieses Mal auf die genau richtige Weise verändern. Auch hier wird der Optimismus grausam, wenn die das Möglichkeitsgefühl induzierenden Objekte oder Szenen jene expansive Transformation in Wirklichkeit gerade unmöglich machen, die anzustreben eine Person oder Gruppe riskiert; und er ist doppelt grausam, insofern der Genuss des In-einer-Beziehung-Seins das Andauern dieser Beziehung ganz unabhängig von deren Gehalt zu stützen beginnt - dann kann eine Person oder eine Welt sich an eine Situation gebunden fühlen, die zugleich eine ernste Gefährdung und eine profunde Bestätigung darstellt. [...] |