Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #18: Politik der Lebensformen




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial



AUSWEG

 
Rahel Jaeggi
Experimenteller Pluralismus
Lebensformen als Experimente der Problemlösung
 
Stefan Huster
In Freiheit leben
Die transformative Kraft einer liberalen Ordnung
 
Peter Siller
Macht es nicht selbst!
Vom Rückzug des Politischen ins Private geschlossener Lebensformen
 
Anna-Catharina Gebbers
Leben als Gesamtkunstwerk
Wagner – Beuys – Schlingensief
 
Lauren Berlant
Grausamer Optimismus
Warum Fantasien des guten Lebens scheitern
 
Thomas Schramme
Die Formung des menschlichen Lebens
Nachdenken über Mills Idee der Lebensexperimente
 
 

Christian Neuner-Duttenhofer

Abgetaucht

Warum wir politisch an uns selbst scheitern


Selten gab es so viele Anlässe, sich zu engagieren, um aufzustehen und etwas ändern zu wollen. Warum reduziert sich gerade die starke, mitten im Leben stehende Generation der Dreißig- bis Mitte Vierzigjährigen so konsequent auf ihr reines, subalternes Funktionieren? Warum mischen wir uns abseits vom Biospeiseplan in Kindertagesstätten so wenig in die gesellschaftliche Entwicklung ein? Woher kommen die Vorbehalte gegen den Versuch, politisch Einfluss zu nehmen? Warum tauchen wir nicht auf?

Weltflucht

»Ich hatte ein schönes Gespräch mit meiner Freundin; meine Tochter hat eine Zwei in Erdkunde; ich bin froh, dass ich gesund bin« (Flow). Julia Friedrichs gilt dieses Zitat im Zeit Magazin als Sinnbild der aktuellen »Massenflucht in den Biedermeier«, des Rückzugs ins Innere, die Familie, das Heim. Neue und immer auflagenstärkere Magazine wie Flow, Emotion, viva! und My Harmony sind voll von »all den Anleitungen zur Weltflucht«. Anschläge, Krisen, Finanzsysteme, Armut, Europa, Kriege, Flüchtlinge, Seuchen? »In keinem dieser Magazine findet sich auch nur ein Spurenelement dessen, was gemeinhin für einen elementaren Teil der Gesellschaft gehalten wird: Politik und Wirtschaft«, so Friedrichs. Stattdessen Bastelanleitungen, Tipps zu Achtsamtkeitsübungen, Rezepte für Kräuterdrinks. »Ein Heft über Liebe und Geborgenheit, Schuld und Schmerz«. Das sind offensichtlich die Themen auf die wir anspringen. Sie stehen für einen ultrabrutalen Rückzug. Nur keinen belastenden Dreck. Was sind die Gründe?

Bindung und Vertrauen
Es gibt keine Tugend der Orientierungslosigkeit. Im Gegenteil. Die angebliche permanente Wahlfreiheit, die Multioptionen sind das Kreuz, das wir zu tragen haben. Alle unsere Wünsche und Sehnsüchte müssen auf ein Mal und von einem Partner erfüllt werden. Aber niemand kann das für uns leisten. Keine Person. Keine Institution. Kein Partner. Kein Kollektiv. Keine Partei. Wir sind voller Skepsis und Misstrauen gegenüber Bindungen und Verpflichtungen auf irgendetwas, das einen größeren Zusammenhang haben könnte als unser kleines Ich-bezogenes Oasen-Biotop. Das hat seine Gründe. Wir machen laufend Erfahrungen mit der Kündbarkeit aller Beziehungsformen und einem permanenten Trennungsvorbehalt (Partner, Arbeitgeber, Staat, Versicherungen etc.). Uns ist angesichts der ganzen negativen Bindungserfahrungen klar: Wir sind alleine. »Die Menschen, die [...] eine vergleichsweise langfristig angelegte Zukunftsorientierung an den Tag legen, verbindet das klare Leitbild einer politischen Weltanschauung«, steht in einer aktuellen Bertelsmann-Studie. Das sind die Älteren. Menschen ohne Leitbilder agieren und entscheiden pragmatischer und mit weniger Vertrauen. Das sind wir. Das notwendige Vertrauen in die eigene und gemeinsame Handlungsfähigkeit jenseits der Sicherung der angeblich (oder: offensichtlich) gefährdeten eigenen Existenz kann so nicht entstehen. Auch kein Gemeinschaftsgefühl als zwingende Voraussetzung für gesellschaftliches und politisches Engagement. An wen sollen wir uns binden? [...]



ALLTAG

 
Stephan Lessenich
Alles so schön jung hier?
Lebensführung im Alter
 
Wolfgang Kaschuba
Schnelle Fluchten
Vom Umgang mit der Zeit
 
Alexandra Deak/Arnd Pollmann
Marinieren, Tranchieren, Ignorieren
Der exorzistische Kult ums Essen
 
Johanna Gonçalves Martín
Leben geben
Geburten in Amazonien und im Westen
 
Arnd Pollmann/Bertram Lomfeld/ Stefan Huster/Peter Siller
Ist es links? >Veggieday<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Die Leiter zum Eigenheim<
 
Ulrike Martiny
Straßenreiniger und Müllwerker
Wenn Flexibilisierung auf Familialisierung trifft
 
Tatjana Hörnle
Am Beispiel des Niqab
Zu den rechtlichen Grenzen von Lebensformen
 
Michael Eggers
Wie spricht man über die Einrichtung des Alltags?
Zur undeutlichen Evidenz der Literatur
 
Julia Roth
It’s fucking political!
Die notwendige Kritik normativer Lebensformen
 
Kerstin Carlstedt
Warenhaus Hamburg
Mit Martin für einen Euro sechzig unterwegs
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Wir leben, und sind nicht allein<
 
Johanna-Charlotte Horst
Mein halbes Jahr: ›Literatur‹
Franz Kafka – Michel Leiris – Gilles Deleuze
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: ›Musik‹
Von Spar – Der Mann – Erfolg
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: ›Film‹
Boyhood – Monsieur Claude und seine Töchter – Honig im Kopf



AUTONOMIE

 
Christoph Menke
So sind sie – So leben sie
Autonomie und Befreiung
 
Christian Berkes
Airbnb, Wohntourismus
20 Thesen zum Plattformkapitalismus am konkreten Fall
 
Viktor Tóth
Techno als Lebensform?
Ein Selbstexperiment
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Heimatschutz<



SCHÖNHEITEN

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