M. lebt in der Schweiz, sein Mann lebt in London. M. liebt das Theater und den Wein. In dieser Reihenfolge. Ein Glas Wein nach dem Theater. Sein Mann will meist sofort nach Hause nach der Show. Um zu sparen. Geld zu sparen. Für eine Wohnung, die er endlich kaufen will. Er hat promoviert, einen guten Job in der Ministerialverwaltung, lebt allein und dreht seit Jahren jeden Penny um. Sagt M. und seufzt dabei. Bald zieht der Mann in ein Eigenheim, eine kleine Wohnung in einem eher schlechten Viertel außerhalb. Eher schlecht heißt, dass dort die Schulen als schlecht gelten, weshalb das Viertel für Familien mit hinreichend Geld für einen Kredit, aber zu wenig Geld, um die Kinder zur Privatschule zu schicken, ausfällt. Noch. Denn aus eher schlechten Vierteln werden schnell up-and-coming Viertel, und aus aufstrebenden Nachbarschaften gentrifizierte. Mein eigenes Viertel in Hackney gehört dazu - obwohl es je 20 schnelle Gehminuten von den nächsten U- und S-Bahnstationen entfernt liegt. Dafür hat es die Buslinien 73 und 393, Yogastudios, Parks und ein Schwimmbad, einen koscheren, einen polnischen, türkische und südasiatische Supermärkte, eine Filiale der US-amerikanischen Boutique-Biomarktkette Whole Foods (börsennotiert), gute Schulen, einen sehr schönen Friedhof und einen Banksy. In der Church Street, seiner Hauptstraße, sind etwa 15 Cafés, diverse Pubs und Lokale, eine kleine, gute Videothek und sechs Real Estate Agents mit großen Schaufenstern. Dort kann man sehen, dass eine kleine Dreizimmerwohnung in einem ehemaligen Council Estate, also eine einstige, unter Thatcher privatisierte Sozialwohnung, in meiner schönen, gentrifizierten Nachbarschaft leicht eine halbe Euro-Million kostet. Oder 1.500 Miete im Monat. Klar, dass es da viel mehr Zweck-WGs von Gutverdienenden gibt als etwa in Berlin. Alleine-Leben kann man sich kaum leisten, jedenfalls dann nicht, wenn man nicht Banker oder Wirtschaftsanwältin ist. Kein Wunder, dass M.s Mann sparen muss und trotzdem nicht zentral wohnen kann. Und logisch, dass er miet- und tilgungsfrei sein will, wenn er mal in Rente geht. [...] |