polar #18: Politik der Lebensformen
EDITORIAL
AUSWEG
Rahel Jaeggi Experimenteller Pluralismus Lebensformen als Experimente der Problemlösung
| Stefan Huster In Freiheit leben Die transformative Kraft einer liberalen Ordnung
| Peter Siller Macht es nicht selbst! Vom Rückzug des Politischen ins Private geschlossener Lebensformen
| Anna-Catharina Gebbers Leben als Gesamtkunstwerk Wagner – Beuys – Schlingensief
| Lauren Berlant Grausamer Optimismus Warum Fantasien des guten Lebens scheitern
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Thomas SchrammeDie Formung des menschlichen LebensNachdenken über Mills Idee der Lebensexperimente | Menschen probieren sich aus. Sie wollen das Leben finden, das ihnen entspricht. Erfinden sie sich dabei oder entdecken sie sich eher? Inwiefern ist das gute Leben für alle Menschen vorgegeben, inwiefern individuell? Sollen Menschen gegebenenfalls in die richtige »Form« gepresst werden? Diese Fragen sind in John Stuart Mills Werk Über die Freiheit allgegenwärtig. Seine Idee der Lebensexperimente ist dabei von zentralem Interesse.
Formung und formale Aspekte des Lebens Philosophen sprechen häufig von Lebensformen und polar widmet dem Thema ein ganzes Heft. Die Rede von Lebensformen ist allerdings ein wenig eigenartig; eine typisch intellektuelle Ausdrucksweise. »Lebensweise« oder »Lebensstil« sind noch eher in der Alltagssprache verbreitet, aber »Lebensform«? Gleichwohl können mit dem Bezug auf »Formen« zwei durchaus hilfreiche Gesichtspunkte dargestellt werden. Zum einen die Idee, dass das Leben geformt werden kann, etwa durch soziale Verhältnisse. Diese Verhältnisse wiederum können, wenn es schlecht läuft, zu einer rigiden Formung führen, die individuelle Weisen, sein leben zu leben, unterbindet. Fast so wie Backförmchen, die zur seriellen Produktion benötigt werden - eine Metapher, der sich übrigens auch Mill bediente. Zum anderen deutet die Rede von Formen an, dass formale Aspekte des Lebens diskutiert werden können, die unabhängig von spezifischen Inhalten existieren. Eine Lebensform ist etwas, das über die individuellen Differenzen hinweg Menschen - oder auch anderen Lebewesen - gemeinsam sein kann und bisweilen sein sollte. Damit ist es auch ein stärker politisch konnotierter Begriff als »Lebensweise«. Immerhin ist ja die Ermöglichung von bestimmten Lebensformen, nicht von spezifischen Lebensweisen, eine wesentliche Aufgabe des politischen Gemeinwesens. Dazu gehört auch das Unterbinden mancher Lebensformen, etwa solcher, die mit dem längerfristigen Überleben einer Gesellschaft nicht verträglich sind. Dennoch: Gegenüber individuellen Vorstellungen, wie gut zu leben sei, sollte der liberale Staat sich neutral verhalten, wenn auch nicht jede Form der Existenz akzeptiert werden kann. Anders gesprochen: Die staatlich kontrollierten Backförmchen, in die Bürger - insbesondere Heranwachsende - hereinwachsen, sollten nicht für jeden zur identischen Ausprägung führen. [...] |
| Christian Neuner-Duttenhofer Abgetaucht Warum wir politisch an uns selbst scheitern
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