





polar #17: Schuld und Schulden
EDITORIAL
HALTUNG
HAFTUNG
HEU
Christina von Braun Ein Brunnen voller Blut Die theologische Dimension des Geldes
| Dieter Verbeck Was ist Geld? Arten, Bedeutung, Entstehung
| Ulf Schmidt Moneytalk Letzte Szene aus »Schuld und Scheine«
| Ina Kerner Leben im Kapitalismus: >Knax und Schland<
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Martin SaarBildpolitik: >Schuldenuhr< | Schulden sind unsichtbar. Sie zu haben, bedeutet ja, etwas nicht zu haben, nämlich eigenes Geld. Wer Schulden hat, hat etwas gehabt, nämlich fremdes Geld, und hat es ausgegeben. Wer Schulden hat, hat eine Vergangenheit (des Ausgebens von fremdem Geld) und eine Zukunft (des Zurückzahlen-Müssens). Entsprechend schwierig ist es, sich ein Bild von Schulden zu machen, denn diesen komplexen Status könnte man nur zeigen, in dem man eine Geschichte erzählt.
Seit vielen Jahren hat sich eine hocheffektive Illustrationsmöglichkeit durchgesetzt, die in ihrer Einfachheit zu denken gibt. Der 1949 gegründete »Bund der Steuerzahler« weist in einer Digitalanzeige vor seiner Berliner Zentrale auf den absoluten Stand der deutschen Staatsverschuldung in Form eines Kontostands und auf den Schuldenzuwachs pro Sekunde hin. Dem intendierten Schock sowohl über die Höhe dieses Schuldenstands als auch über die Rasanz seines Wachstums, das wortwörtlich vor aller Augen stattfindet, könnten sich wohl nur volkswirtschaftlich hochgebildete Personen entziehen. Nur ihnen wäre klar, wie imaginär eine solche Fixierung auf eine angeblich eindeutige Summe ist, wie virtuell und unkonkret - anders als bei Kontoständen von Privatpersonen - solche kollektiven Verbindlichkeiten sind. Dennoch täuscht diese Visualisierung des Verschuldungsprozesses nichts vor: Die Verschuldung besteht, und sie wächst und wächst. Ihr erschreckendes Bild wird inzwischen in vielen Kontexten kopiert, zahllose Kommunen und Städte haben ähnliche Schuldenuhren aufgestellt.
Aber es ist genau diese Effektivität und die allzu leichte, fast zwangsläufige Assoziation zwischen tickender Uhr, explodierenden Kosten und unaufhaltsamer Katastrophe, die zu denken geben. Denn anders als es der »Bund der Steuerzahler« intendiert, lässt dieses Bild der Raserei der Schuldenzeit ja gerade keine Maßnahmen (wie Sparen, Haushalten, Schuldenschnitte) zu, sondern nur noch eine totale Revolution. Die Schulden sind hier zu einem Mechanismus geworden, der mit den landläufigen Vorstellungen von Politik (als Formen des Handelns, Anleitens oder Steuerns) kaum zu vereinbaren ist. Die drastische Darstellung des Missstands schießt übers Ziel hinaus, denn sie suggeriert, dass hier etwas passiert, was gerade keine Abhilfe erlaubt, keine Politik mehr zulässt. Die blutroten Zahlen werden ewig weiterlaufen - wenn nicht jemand dem ganzen System den Stecker zieht.
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SCHÖNHEITEN
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