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polar #17: Schuld und Schulden




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial



HALTUNG

 

Mark Schieritz

Verschuldet Euch!

Schulden als Grundlage der modernen Welt


Auf dem Höhepunkt der internationalen Finanzkrise machte Lloyd Blankfein, der Chef der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs, eine Bemerkung, die seinen Ruf endgültig ruinierte. Die Banken, so sagte Blankfein, während um ihn herum milliardenschwere Rettungspakete für die Finanzindustrie geschnürt werden mussten und die Weltwirtschaft immer tiefer in die Rezession rutschte, »verrichten Gottes Werk«.

Die Frage ist, was an dieser Aussage verstörender ist: Dass sie von der vollkommenen Abwesenheit auch nur eines Anflugs von Schuldgefühlen einer Branche zeugt, die die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht hat. Oder dass sie korrekt ist. Jedenfalls hat Blankfeins These einen wahren Kern. Der Kredit ist der Schöpfungsakt im Kapitalismus. Damit sind diejenigen, die über die Vergabe eines Kredits entscheiden Schöpfer. Und Schulden kein Fluch, sondern ein Segen.

Zur offiziellen Lesart der Krise passt das nicht. Unter deutscher Führung wurde Europa in ein Bollwerk gegen Schulden verwandelt. Es gibt inzwischen einen Fiskalvertrag, der die Kreditaufnahme der Mitgliedsstaaten begrenzt und einen Stabilitätspakt, der die Haushaltsführung regelt. In Deutschland dürfen die Bundesländer ab 2020 sogar überhaupt keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Schulden? Nein, Danke!

Diese Haltung hat eine lange Tradition. »Neither a borrower nor a lender be/ For loan oft loses both itself and friend/ And borrowing dulls the edge of husbandry«, gibt Polonius, der Berater des Königs in Shakespears Tragödie Hamlet, seinem Sohn als Empfehlung auf den Weg. Und in Deutschland reflektierte Friedrich Nietzsche in der Genealogie der Moral die Nähe des finanzwirtschaftlichen Begriffs der Schulden zum moraltheoretischen Konzept der Schuld. Zuletzt hat der amerikanische Anthropologe David Graeber in seinem Mammutwerk über die Geschichte der Schuldbeziehungen herausgearbeitet, wie Schulden jeden Aspekt des Lebens durchdringen und dabei in vielen Fällen als Herrschaftsinstrument benutzt wurden. Durch den Akt der Kreditaufnahme liefert sich der Schuldner dem Gläubiger aus - und nicht selten wurde ein Darlehen mit jahrelanger Knechtschaft bezahlt. So wie ja auch die überschuldeten Griechen sich von der Troika der EU die Bedingungen ihres Zusammenlebens diktieren lassen mussten. [...]


 
Robert Misik
Inflation
Ein Problem, das wir uns wĂĽnschen sollten
 
Gerhard Schick
Umschuldung oder Umverteilung
Plädoyer für einen geordneten Abbau der hohen Gesamtverschuldung
 
Simon Derpmann
Es ist was es ist
Geld als soziale Relation
 
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Schulden ohne Schuld
Insolvenz als Grenze der Finanzmoral
 
Christian Kopf
Mit Schulden handeln
Ein Fondsmanager sucht nach Alternativen zur Anleihe
 
Frieder Vogelmann
Wir Seelenmacher
»Unternehmensverantwortung« mit Graeber und Nietzsche
 
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Hedonismus und Askese
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Ist es links?>Schuldenbremse<



HAFTUNG

 
Interview Joseph Vogl
»Schulden sind ein Schöpfungsakt«
 
Stefan Gosepath
Vage Pflichten
Was schulden wir zukĂĽnftigen Generationen?
 
Daniel Markovits
Leistungsgesellschaft und ungleiche Verteilung
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Woody Allen, Jeremy Bentham und NSA-Skandal
 
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Ăśber Schuld beim Einsatz elektronischer Agenten
 
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HEU

 
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Ein Brunnen voller Blut
Die theologische Dimension des Geldes
 
Dieter Verbeck
Was ist Geld?
Arten, Bedeutung, Entstehung
 
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Moneytalk
Letzte Szene aus »Schuld und Scheine«
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Knax und Schland<
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Schuldenuhr<



SCHÖNHEITEN

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