Geliebtes Karthago,
du bist im Krankenhaus gerade, und kannst mir nicht antworten. Ich erinnere mich für uns beide. Wir haben die Kinder auf unser Schlachtfeld geholt, und sie haben tapfer gekämpft. Für uns, mit uns, gegen uns. Mit großen Augen und ohne Zögern. Sie haben sich mit uns eingegraben, sich verletzt, sind gestorben mit uns und wieder aufgestanden. Jede Nacht, immer wieder. In der Stadt und in der Provinz. Sie haben gekämpft ohne zu fragen, zu rechnen, die Schulden zu zählen. Auch die, die wir enttäuscht haben, waren da. Sie haben alles gegeben und wollten nichts dafür. Damit wir unser Drama, unseren Krieg spielen können, in dem wir niemals fragen müssen, wer Schuld hat: Karthago, der Verräter? Rom, die Lügnerin? Es gibt hier keine Opfer, die Kinder wissen das und sagen den Satz geradeaus, klar, nach vorne. Sterben kann man trotzdem, alles falsch machen auch, blöd sein, verletzen, misshandeln, völlig daneben hauen mit einem Schwert, das einem nicht gehört. Auch das wissen sie, nichts wird vergessen. Alles kann, muss und wird gesagt werden, erinnert werden. Jeder Schlag, jeder Schmerz. In unseren Nächten bringst du mir den Unterschied zwischen Erinnern und Aufrechnen bei. Zwischen Zukunft und Kontostand. Wenn die Anderen von Schuld und Schulden reden, dann meinen sie eine andere Zeit als unsere. Sie schulden uns etwas, deshalb reden sie davon. Ohne Unterlass. Wir beide sind gebaut für die Erinnerung und die Ewigkeit. Abrechnen können wir danach. Die Kinder werden uns helfen dabei. Ich wünsche dir gute Besserung und einen schönen Geburtstag, ewiges Karthago, meine ewige Liebe. Du wirst mir nie etwas schuldig sein, wir verlieren und gewinnen zusammen.Dein Rommmmmm [...]
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