polar #17: Schuld und Schulden
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Christina von BraunEin Brunnen voller BlutDie theologische Dimension des Geldes | »Und vergib uns unsere Schuld - wie auch wir vergeben unseren Schuldigern«. Das christliche Vaterunser verleiht der Frage von Sünde und Sühne eine ökonomische Dimension. Dass sich dies nicht nur der deutschen Sprache verdankt, die mit einem einzigen Begriff die moralische und die finanzielle Schuld umfasst, zeigen das italienische Vaterunser wie auch das englische ›Lord's Prayer› der King James Bible. Auch dort ist von debts und debtors die Rede. An sich bieten die lateinischen Sprachen zwei lexikalische Felder, um zwischen Geld-Schuld (franz. dette) und Schuld im Sinne von ›schuldig werden‹ (franz. culpabilité) zu unterscheiden. Dennoch werden auch im italienischen Vaterunser die eigenen ›Sünden‹ nicht etwa als ›peccati‹, sondern als ›debiti‹ bezeichnet; und die ‹Schuldigen›, denen es zu vergeben gilt, heißen ›debitori‹. Auch für die Vergebung wird ein ökonomischer Begriff verwendet: ›rimettere‹, was so viel wie zurückgeben bedeutet. Es gibt, darauf deutet dieser Sprachgebrauch, eine viel engere Verbindung zwischen Ökonomie und Religion, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Sowohl Wirtschaftstheoretiker als auch Theologen neigen dazu, zwischen Religion und dem Geld strikt zu unterscheiden: Die Religion gehöre dem Bereich des Transzendenten an und entziehe sich dem logischen Denken, das Geld dagegen sei rational und weltimmanent. Aber angesichts der auffallenden Parallelen zwischen dem Appell ans ›Vertrauen‹ und an den ›Glauben‹, der Religion und Geldwirtschaft gemeinsam ist, angesichts der Nähe von credo und Kredit überzeugt die Unterscheidung zwischen Geld und Religion kaum. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man in die Geschichte des Geldes und der Gelddeckung blickt.
Wenn wir Geld als Tausch- oder Zahlungsmittel, als Wertmesser oder Wertaufbewahrungsmittel bezeichnen, benennen wir damit nicht sein Wesen, nur seine Funktionen. Geld ist am ehesten mit einem Schriftsystem zu vergleichen. Heute gehen Schrifttheoretiker sogar davon aus, dass die Schrift aus den Notwendigkeiten der Buchhaltung entstand und sich mit wachsender Tempel- oder Palastwirtschaft entwickelte. Die Nähe von Geld und Schrift erklärt die parallele Evolution der beiden Medien. 150 Jahre nach der Einführung des Alphabets in Griechenland wurden die ersten Münzen geprägt. Bald nach der Erfindung des Buchdrucks entstand das erste Papiergeld. Und heute, wo wir über Emails mit einander kommunizieren, zirkuliert auch Geld als elektronischer Impuls. Historisch und aktuell gilt: Dort, wo die intensivste schriftliche Kommunikation stattfindet, zirkuliert auch die größte Geldmenge. Das hatte allerdings zwei Folgen: erstens die wachsende Geldmenge; zweitens die immer größere Zeichenhaftigkeit des Geldes - nach den Münzen kamen Wechsel, Schecks, dann Aktien, Papiergeld. Heute zirkuliert Geld meistens auf elektronischem Weg. Mit dieser Entwicklung stellte sich die Frage nach der Beglaubigung des Geldes immer nachdrücklicher - und hier kommt die Frage der Theologie ins Spiel. [...]
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| Dieter Verbeck Was ist Geld? Arten, Bedeutung, Entstehung
| Ulf Schmidt Moneytalk Letzte Szene aus »Schuld und Scheine«
| Ina Kerner Leben im Kapitalismus: >Knax und Schland<
| Martin Saar Bildpolitik: >Schuldenuhr<
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