





polar #17: Schuld und Schulden
EDITORIAL
HALTUNG
Mark Schieritz Verschuldet Euch! Schulden als Grundlage der modernen Welt
| Robert Misik Inflation Ein Problem, das wir uns wünschen sollten
| Gerhard Schick Umschuldung oder Umverteilung Plädoyer für einen geordneten Abbau der hohen Gesamtverschuldung
| Simon Derpmann Es ist was es ist Geld als soziale Relation
| Bertram Lomfeld Schulden ohne Schuld Insolvenz als Grenze der Finanzmoral
| Christian Kopf Mit Schulden handeln Ein Fondsmanager sucht nach Alternativen zur Anleihe
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Frieder VogelmannWir Seelenmacher»Unternehmensverantwortung« mit Graeber und Nietzsche | Wie eng Schuld und Schulden, Moral und Ökonomie zusammenhängen und welche Gewaltexzesse mit ihnen verbunden sind, daran hat zuletzt David Graeber in seinem monumentalen Buch Schulden. Die ersten 5000 Jahre (2011) erinnert. Einer seiner zahlreichen Argumentationsstränge betrifft die extreme Gewalt, mit der vorkapitalistische Kreditnetzwerke kleinräumiger Gemeinschaften - die alltäglichen Schulden einer überwiegend ohne Bargeld auskommenden Bevölkerung bei ihren Nachbarn und Verwandten - in abstrakte, berechen- und vergleichbare Geldschulden verwandelt wurden. Geldschulden sind für Graeber im Kern quantifizierbare Schuldenverhältnisse, in denen sich die jeweiligen Schuldner_innen und Gläubiger_innen als Gleiche und insofern als Fremde begegnen. Solche Geldschulden seien dann einer anderen Moralisierung ausgesetzt gewesen, die wiederum Gewalt befeuert hätte: Harmlose alltägliche Schulden, durch Quantifizierung verzinsbar gemacht und damit selbstwachsend, lieferten, sobald sie die Schuldner_innen nicht nur ökonomisch bedrängten, sondern unmoralisch zu machen drohten, eine starkes Motiv für die fürchterlichen Schlächtereien etwa in der »Neuen Welt« oder während der deutschen Bauernaufstände. Eine Spätfolge dieser Gewalt sei, dass ihre »Hinterlassenschaft [...] alles, was uns umgibt, verdreht, verbogen, ja pervertiert hat«, so dass wir nicht mehr in der Lage seien, uns jenseits dieser Zurichtungen unserer selbst und der Welt wahrzunehmen, andere zu behandeln oder unsere Begriffe frei von dieser Gewalt zu prägen. Die »heimtückische Wirkung dieses Einflusses« sei, dass »wir uns kaum noch vorzustellen vermögen, wie eine sinnvolle menschliche Freiheit aussehen könnte«, und Freiheit stattdessen mit unbegrenzter Willkür über andere verbinden würden.
Von der Herkunft der Verantwortlichkeit Diese Überlegungen rufen den Nietzsche aus Zur Genealogie der Moral (1887) ins Gedächtnis, auf den Graeber selbst (flüchtig) verweist. Für Nietzsche freilich kulminierte die »vorhistorische Arbeit« der Menschheit an sich selbst, die exakt wie bei Graeber über die mit Schuld(en) verknüpften Grausamkeiten beschrieben wird, in etwas Interessantem: Denn sie stattete die Menschen erst mit einem Innen aus, gebar ihnen eine Seele und machte sie so zu »interessante[n] Thier[en]«. Diese Geschichte der Entstehung einer Seele, die aus den Menschen berechenbare Wesen machte, ist für Nietzsche die »lange Geschichte von der Herkunft der Verantwortlichkeit«. Sie besteht aus drei Schritten: Erstens wird mithilfe von Schmerzen ein Gedächtnis geschaffen, denn »nur was nicht aufhört, weh zu tun, bleibt im Gedächtnis«. Hinzukommen muss zweitens die Unterwerfung eines Großteils der Menschen, die in der Folge ihren Willen zur Macht nicht mehr ausleben können und daher gegen sich selbst richten. Diese Internalisierung der vorher sich nach außen entladenden Grausamkeit erzeugt in ihnen ein »schlechtes Gewissen«. Schließlich braucht es drittens eine Interpretation, mit der die so Unterworfenen ihr schlechtes Gewissen und dessen Qualen als gerechte Strafe für eine immer schon bestehende Schuld verstehen können. Diese letzte, durch das Christentum erfolgende Moralisierung des schlechten Gewissens, die Nietzsche einen unvergleichlichen »Willens-Wahnsinn« nennt, weil es der Wille ist »sich schuldig und verwerflich zu finden bis zur Unsühnbarkeit, [...] sich bestraft zu denken, ohne dass die Strafe je der Schuld äquivalent werden könne«, sorgt für Berechenbarkeit und Gleichförmigkeit: Denn der Wahnsinn gibt den Menschen eine Methode, um die eigenen Qualen zu verstehen; die internalisierte Grausamkeit, die sich nur noch gegen sich selbst richten kann, wird sinnvoll. So auch für sich selbst berechenbar geworden, können sie ruhig Verantwortung übernehmen und wissen sich zugleich als Produkt des Verantwortlich-Gemacht-Werdens. [...]
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| Alessandro Somma Hedonismus und Askese Paradoxien der Schuldenwirtschaft
| Mark Schieritz/Michael Miebach/Florian Kern/Philipp Wahnschaffe Ist es links?>Schuldenbremse<
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